Süddeutsche Zeitung

Israel:Fast Food für Fromme

Fleisch mit Käse ist für strenggläubige Juden tabu. Jetzt nährt ein Rabbiner Hoffnungen auf einen koscheren Cheeseburger - und stellt strenge Bedingungen.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Ein saftiger Burger mit Käse gehört zu jenen Gerichten, die für fromme Juden tabu sind. Die Kaschrut-Regeln, die religiösen Speisevorschriften, verbieten es unter anderem, Fleischiges und Milchiges zusammenzubringen. Nachzulesen ist das im 2. Buch Mose, Kapitel 23,19, wo geschrieben steht: "Du sollst das Böcklein nicht kochen in seiner Mutter Milch." Das Verbot gilt seit biblischen Zeiten, doch nun nährt der aschkenasische Chefrabbiner in Israel, David Lau, die Hoffnungen auf den Genuss eines koscheren Cheeseburgers.

Lau war der Times of Israel zufolge vom Unternehmen Aleph Farms um ein Gutachten gebeten worden. Die Firma entwickelt sogenanntes kultiviertes Fleisch, das in den Laboratorien in Rehovot nahe Tel Aviv aus Stammzellen produziert wird, die in einer Nährlösung heranwachsen. Die Frage, vor die der Chefrabbiner Lau gestellt wurde, lautet: Ist das noch Fleisch - und wenn nicht, was bedeutet das für den Speiseplan der gläubigen Juden?

Die Fragestellung ist hochkomplex und beschäftigt jüdische Gelehrte nicht erst seit heute. Auf eher philosophischer Ebene war die K-Frage, ob künstliches Fleisch koscher ist, schon vom Babylonischen Talmud vor ungefähr 1500 Jahren angestoßen worden. Dort geht es an einer Stelle um die mystische Erschaffung eines Kalbs, das verspeist wurde ohne eine koschere Schlachtung. Die damit über die Jahrhunderte befassten Rabbiner wurden sich allerdings nicht einig, ob für dieses unnatürliche Wesen eigene Gesetze gelten.

Ein öffentlich verspeister Burger mit Käse könnte, selbst wenn er koscher ist, bei anderen Gläubigen zu Verwirrung führen

Wirklich Fahrt nahm die Diskussion aber erst in den vergangenen zehn Jahren auf, seitdem sich weltweit Firmen daranmachen, das Laborfleisch zur baldigen Marktreife zu entwickeln. Auffällig viele dieser Unternehmen sind im forschungs- und Start-up-freundlichen Israel beheimatet. So wie Aleph Farms, wo sich Rabbi Lau nun zunächst einmal in den Produktionsstätten ein Bild machte. Danach ging er in Klausur und verfasste eine elfseitige Abhandlung. Das Ergebnis: Er stufte das kultivierte Fleisch als "parve" ein, also weder fleischig noch milchig, sondern neutral. Kurzum, der Käse auf einem solchen Burger ist koscher. Grundsätzlich.

Allerdings hat der Chefrabbiner den Cheeseburger-Genuss an ein paar komplizierte Bedingungen geknüpft. Zum einen verweist er auf ein im jüdischen Recht verankertes Prinzip namens "marit ayin", was sich ungefähr mit "Augenschein" übersetzen lässt. Ein öffentlich verspeister Burger mit Käse könnte demnach, selbst wenn das Produkt aus kultiviertem Fleisch besteht und damit koscher ist, bei anderen Gläubigen zu Verwirrung führen. Zudem könnte sich aus dem Genuss eine "verbotene Gewohnheit" entwickeln, was irgendwann einmal zum Umstieg vom falschen aufs echte Fleisch führen könnte.

Beides gilt es dem Rabbi zufolge zu vermeiden, und deshalb stellt er eine Forderung an die Produzenten des koscher kultivierten Fleischs: Es darf nicht aussehen wie Fleisch, nicht riechen wie Fleisch und auch nicht als Fleisch vermarktet werden. Ob das dann am Ende zusammen mit Käse noch als Cheeseburger durchgeht, ist fraglich. Und vor allem ist offen, wonach es schmecken soll.

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