Faschismus-Streit in Italien:Mussolinis Schatten

Italiens Verteidigungsminister La Russa äußert Verständnis für den Faschismus unter Diktator Mussolini. Kritiker bezweifeln, dass Italiens Rechte wirklich geläutert ist.

Stefan Ulrich, Rom

Eigentlich sollte Verteidigungsminister Ignazio La Russa bei einer Feierstunde an diesem Montag in Rom des Waffenstillstands zwischen Italien und den Alliierten am 8. September 1943 gedenken. Dabei würde er gewiss, so die allgemeine Erwartung, auch lobende Sätze über den antifaschistischen Widerstand sprechen.

Faschismus-Streit in Italien: Italiens Verteidigungsminister Ignazio La Russa äußert Respekt für Mussolini und seine Kämpfer

Italiens Verteidigungsminister Ignazio La Russa äußert Respekt für Mussolini und seine Kämpfer

(Foto: Foto: Reuters)

Doch dann fand der Minister auch freundliche Worte für faschistische Kämpfer: Diese Männer des Diktators Benito Mussolini, die die alliierten Landungstruppen südlich von Rom bekämpften, hätten an die Verteidigung ihrer Heimat geglaubt und verdienten Respekt.

Die Folge der Rede: Italien liefert sich einen neuen Faschismus-Streit. Oppositionspolitiker und Publizisten werfen La Russa vor, er verrate die Grundwerte der Verfassung und werte den Faschismus auf. Der Verteidigungsminister konterte, seine linken Kritiker betrieben "kulturellen Rassismus". Sie wollten ihn mundtot machen, weil er ein Mann der Rechten sei. Doch er lasse sich nicht von den "Gendarmen der Erinnerung" und den "Professoren der offiziellen Geschichtsschreibung" das Wort nehmen.

Die Karriere des Ignazio Benito Maria La Russa, so sein ganzer Taufname, ist typisch für einen Teil der zurzeit in Italien herrschenden Politikerklasse. Sie führt vom äußersten rechten Rand bis ins Zentrum der Macht in Rom. La Russa wuchs als Sohn eines Senators der neofaschistischen Partei Movimento Sociale Italiano (MSI) auf. Bereits als zehnjähriger Junge agitierte er für den MSI.

Später wurde er Funktionär von dessen Jugendverband sowie neofaschistischer Abgeordneter. Seit Mitte der neunziger Jahre half La Russa mit, den MSI in eine respektable, konservative Partei namens Alleanza Nazionale zu verwandeln. Der Lohn der Läuterung: Die Alleanza bekam Zugang zur Macht. So stellt sie heute den Präsidenten des Abgeordnetenhauses und den Bürgermeister von Rom. La Russa selbst wurde im Mai Verteidigungsminister der Regierung Berlusconi.

Faschismus als komplexes Phänomen

Mit seinen Worten vom Montag nährt der Minister nun die Zweifel etlicher Italiener, ob die Post-Faschisten wirklich geläutert sind. Schließlich hatte bereits am Sonntag La Russas Parteifreund Gianni Alemanno, der Bürgermeister von Rom, ähnliches Aufsehen erregt. Alemanno sagte in einem Interview, die von Mussolinis Regime 1938 erlassenen Rassegesetze seien das "absolut Böse" gewesen. Vom Faschismus selbst könne man das so nicht sagen. "Der Faschismus war ein komplexeres Phänomen. Viele Menschen sind ihm in gutem Glauben gefolgt."

Aus Protest trat Alemannos Vorgänger als Bürgermeister von Rom, Walter Veltroni, aus einer Kommission aus, die den Bau eines Holocaust-Museums in Rom leiten soll. Der Versuch Alemannos, "ein doppeltes Urteil über den Faschismus auszudrücken, verletzt mich", sagte Veltroni. Er könne nicht mehr in einer Kommission sitzen, die Alemanno leite. Angehörige der jüdischen Gemeinde kritisierten, der Faschismus lasse sich nicht von dessen antisemitischen Gesetzen trennen. "Ohne Faschismus hätte es keine Rassegesetze gegeben."

Der Streit um die Worte La Russas und Alemannos zeigt, wie schwer sich Italien bei der Beurteilung der Vergangenheit tut. Während es in Deutschland einen Grundkonsens gibt, die nationalsozialistische Herrschaft als absolut böse zu verurteilen, wird in Italien das "Ventennio", die zwanzigjährige Mussolini-Herrschaft, durchaus unterschiedlich bewertet. Immer wieder wird argumentiert, der Duce habe auch Positives geleistet.

Mörderische Kriege werden übersehen

So habe er Italien modernisiert, industrialisiert und riesige Sumpfgebiete um Rom herum urbar gemacht. Erst im Sog Hitlers seien Mussolini und sein Faschismus dem Bösen verfallen. Dabei wird übersehen, dass das Mussolini-Regime seine Gegner von Anfang an brutal verfolgte und vor dem Kriegseintritt an der Seite Nazi-Deutschlands mörderische Kolonialkriege führte.

Nach dem Sturz Mussolinis und dem Waffenstillstand zwischen dem Königreich Italien und den Alliierten im Jahr 1943 besetzten deutsche Truppen große Teile des Landes. Hitler setzte Mussolini als Chef einer "Italienischen Sozialrepublik" mit Sitz in Salò am Gardasee wieder ein. Hunderttausende italienische Soldaten weigerten sich, für diesen faschistischen Rumpfstaat von Hitlers Gnaden zu kämpfen. Sie wurden dafür in Lager nach Deutschland verschleppt.

Staatspräsident Giorgio Napolitano, ein früherer Kommunist, pries bei der Feier am Montag ausdrücklich die Männer, "die sich nicht Salò angeschlossen haben". La Russa fand es dagegen auf der gleichen Bühne angebracht, der Soldaten zu gedenken, die sich für Mussolini und Salò entschieden.

Der linksdemokratische Journalist und Politiker Furio Colombo hält ihm entgegen, die Kämpfer von Salò seien es gewesen, die die italienischen Juden suchten, gefangen nahmen und an die Nazis auslieferten. Zudem würden in keinem anderen Land Europas Menschen von der Regierung geehrt, "welche mit den Nazis und Faschisten paktierten, die ihr Land besetzten".

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: