Familienunternehmen:Das Ende der Alleinherrschaft

Schritte auf nassem Asphalt, 201

Manager sollten zur Selbstreflexion fähig sein, sagen Berater. Ein partizipativer und kooperativer Führungsstil in Unternehmen dürfte dies erleichtern.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Patriarchen haben ausgedient. So lautet das Ergebnis einer Studie. Kommunikation ist für den Frieden unter den Verwandten wichtig und dann läuft es auch in der Firma besser.

Von Elisabeth Dostert

Die alten Bilder hängen noch - an den Wänden - und in den Köpfen. Der Patriarch in Öl auf Leinwand. Aber die älteren Herren mit strengem Blick sind ein Auslaufmodell. Früher seien Familienunternehmen deutlich autoritärer geführt worden als heute, sagt Alexander Koeberle-Schmid, Spezialist für Familienunternehmen bei der Beratungsgesellschaft KPMG. "Der Führungsstil hat sich gewandelt." Im Großen und Ganzen agieren die Familien "sehr viel" professioneller als noch vor Jahren. "Alleinherrscher gibt es kaum mehr." Die Familien führen heute ihre Firmen meistens partizipativ oder kooperativ. In den allermeisten Fällen ist der Führungsstil sogar eine Kombination daraus. Der Experte nennt das eine situative Führung.

Den Wandel belegt eine Studie, die KPMG gemeinsam mit dem Friedrichshafener Institut für Familienunternehmen der Zeppelin Universität erstellt hat. Dafür wurde gut ein Dutzend Familienunternehmer intensiv befragt, 85 weitere schriftlich. Es ist alles dabei - vom Alleininhaber bis zu Unternehmen mit einigen Dutzend oder ein paar Hundert Gesellschaftern.

Firmen wie die von Carl-Julius und Wilm-Hendric Cronenberg, die Vettern dritten Grades stellen die zehnte Generation. Der Gründer stellte Sensen und Sicheln her. Die Industrialisierung der Landwirtschaft zwang die Großväter der heutigen Chefs nach dem Zweiten Weltkrieg, sich neue Geschäftsfelder zu erschließen. Die Unternehmensgruppe Julius Cronenberg Sophienhammer, JCS, mit Sitz im sauerländischen Arnsberg-Müschede, stellt heute Baubeschläge, Geländer und "Mobiliar für den öffentlichen Raum" her, Fahnenmasten und Poller, zum Beispiel. Mit rund 300 Mitarbeitern setzt die Gruppe etwa 70 Millionen Euro im Jahr um. Die zentralen Gesellschaften haben die Rechtsform einer offenen Handelsgesellschaft. Die Vettern haften voll mit ihrem Privatvermögen. "Wir denken über jede Entscheidung noch sorgfältiger nach, weil sie uns stärker trifft. Und die Banken greifen sowieso auf das Privatmögen zurück, wenn die Firma nicht genügend Sicherheiten bietet", sagt Wilm-Hendric Cronenberg.

Die Cronenbergs haben sich die Aufgaben klar aufgeteilt. Wilm-Hendric, 49, ist für die Stadtmöbel zuständig, der Vetter, 53, für die Baubeschläge. Beide haben Betriebswirtschaft studiert. Die Universitäten, sagt Berater Koeberle-Schmid, bereiten die Erben heute sehr viel besser auf ihre künftige Aufgabe in der Firma vor. Dazu zähle auch das Bewusstsein, "dass ich nur dann als geschäftsführender Gesellschafter erfolgreich bin, wenn ich meine Mitgesellschafter überzeuge und hinter mich bringe". "Es gibt zwischen uns kein Konkurrenzdenken", sagt Cronenberg. Strategische Entscheidungen fällen beide gemeinsam. "Wir sind zwei ganz unterschiedliche Typen. Carlo ist eher der Stratege. Ich bringe vielleicht etwas mehr Empathie mit", sagt Cronenberg: "Was die Firma anbelangt, ticken wir ähnlich. Wir suchen den Konsens."

Der letzte größere Streit liegt schon drei Jahre zurück. "Es ging um eine Investition", sagt Cronenberg: "Mein Vetter hatte das Gefühl, dass er nicht richtig eingebunden war. Und ich war etwas zu forsch", sagt er selbstkritisch: "Wir hatten den Weg der stetigen gegenseitigen Information und des Konsenses verlassen." Er habe gespürt, dass "etwas nicht passt". Es gab eine Aussprache. Bei den Cronenbergs geht es jetzt wieder friedlich zu wie eh und je.

Große Familien erfordern regelmäßige Treffen und eine offene Kommunikation

Geschäftsführungen, in denen nur Familienmitglieder sitzen, sind anfälliger für einen Mangel an offener Kommunikation und Kritikfähigkeit. "Es fehlt mitunter der Mut, Konflikte auszutragen, statt ihnen aus dem Weg zu gehen", sagt Koeberle-Schmid. Manager, rät er, sollten sich immer wieder fragen: Bin ich noch der Richtige an diesem Platz? Das unterscheide den guten vom schlechten Familienmanager: Der eine hinterfrage sich auch selbst, der andere hält sich für bestens geeignet. Manager, ob sie aus der Familie kommen oder nicht, sollten zur Selbstreflexion fähig sein, sagt Koeberle-Schmid. "Das ist eine Kernkompetenz, die alles andere als selbstverständlich ist. Das ist extrem schwierig."

Ein paar Unterschiede im Verhalten von Geschäftsführern aus der Familie und externen hat die Studie ausgemacht. Die Fremdmanager streben eher ein schnelles Wachstum an, die Familienbosse ein langsames und langfristiges.

Mit dem Alter wächst häufig die Zahl der Gesellschafter. Je größer das Unternehmen, umso häufiger besteht die Geschäftsführung aus mehreren Mitgliedern, von denen die meisten oder alle nicht aus der Familie kommen. "Der operative Einfluss der Familie lässt über die Generationen nach." In den Firmen mit mehr als einer halben Milliarde Euro Umsatz wird ein Viertel nur von externen Managern geführt, weniger als zehn Prozent nur von Gesellschaftern. Fremdmanagern ist es am liebsten, wenn keiner aus der Familie in der Geschäftsführung sitzt, "zu groß wird die Gefahr angesehen, sich durch diesen in der Entscheidungsfreiheit eingeschränkt zu fühlen".

"Große Familien erfordern regelmäßige Treffen und eine offene Kommunikation", sagt Koeberle-Schmid. Allerdings haben nur 35 Prozent der Befragten sich eine Familienverfassung gegeben. Dabei hängt der Erfolg einer Firma in hohem Maße davon ab, wie sich die Familie organisiert. Verglichen haben die Autoren der Studie zwei Formen: Großfamilien und Stammesorganisationen. In Stammesgesellschaften dürfen die Gesellschafteranteile innerhalb des Stammes übertragen werden, Entscheidungen werden zunächst innerhalb des Stammes getroffen, gegenüber den anderen Stämmen tritt der jeweilige Stamm dann mit einer Stimme auf. Jeder Stamm entsendet einen Vertreter in Organe wie Beirat oder Geschäftsführung. Demokratischer geht es in der Großfamilie zu: Entscheidungen werden in der Gesellschafterversammlung mehrheitlich getroffen.

Gesellschafter seien in Großfamilien glücklicher, weil sie sich als Teil einer starken Gemeinschaft empfinden und sich weiterentwickeln können. Das geht in Stämmen oft nicht. Da gibt es oft Stammesfürsten, die zu lange auf ihrem Platz bestehen und niemandem die Führung zutrauen - besonders nicht dem anderen Stamm.

Das Problem haben die Cronenbergs nicht. Die Firmenanteile erbt immer nur einer aus jeder Linie, für die Geschwister gibt es einen Ausgleich. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts bestand der Gesellschafterkreis aus drei Familien, eine schied aus. "Es gab nur drei Töchter, denen traute damals keiner die Nachfolge zu. Wir sehen das heute sicher anders." Bei der Aufarbeitung der Firmengeschichte zum 300-jährigen Bestehen entdeckten sie vor fünf Jahren einen in Vergessenheit geratenen Familienzweig. "Wir haben die zum Jubiläum eingeladen. Es war ein schönes Fest. Die Familie, die in unserem Selbstverständnis nicht nur aus den Inhaberfamilien besteht, ist wieder ein Stück größer geworden."

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