Süddeutsche Zeitung

Familiensplitting als Alternative von Ehegattensplitting:Renaissance einer alten Idee

Finanzminister Schäuble und die Union suchen wegen des Streits um die Homo-Ehe nach einer Alternative zum Ehegattensplitting - und streben mit dem Familiensplitting eine große Reform an. Antworten auf die wichtigsten Fragen zu dem Modell.

Guido Bohsem, Berlin

Es gibt zwei Möglichkeiten Streit zu schlichten. Man kann sich auf die kleinste Gemeinsamkeit verständigen oder auf ein gemeinsames, großes Ziel. Was die Homo-Ehe angeht, setzen CDU und CSU auf Größe. So jedenfalls kann man Wolfgang Schäuble (CDU) verstehen, der den Zwist über deren steuerliche Gleichbehandlung mit der herkömmlichen Ehe durch eine ganz große Reform lösen möchte. Das derzeit gültige Ehegattensplitting sollte nach Worten des Finanzministers durch ein Familiensplitting ersetzt werden. Weil das fragliche Urteil des Verfassungsgerichts noch im Sommer zu erwarten ist, müsste es schnell gehen. Die Süddeutsche Zeitung beantwortet die wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit dem Familiensplitting.

Ist die Forderung nach einem Familiensplitting neu?

Nein, die CDU hat die Idee bereits im Jahr 2007 in ihr Grundsatzprogramm aufgenommen. Dort kündigt die Partei an, das Ehegattensplitting voll zu erhalten und zu einem Familiensplitting zu erweitern. Erklärtes Ziel ist es, Familien mit Kindern besserzustellen und allen Familien mit Kindern einen Splitting-Vorteil zu verschaffen. Die Homo-Ehe würde also nur dann besonders gefördert, wenn dort Kinder großgezogen würden.

Kann man ein Familiensplitting schnell nach dem Urteil einführen?

In den vergangenen fünf Jahren hat es die CDU offensichtlich nicht geschafft. Es ist davon auszugehen, dass es bis zur Bundestagswahl ebenfalls nicht mehr gelingt - zumal die FDP mindestens skeptisch und die rot-grün geprägte Mehrheit des Bundesrates dagegen ist. Es sprechen zudem technische Gründe gegen eine schnelle Umsetzung. Zur Einführung des Familiensplittings muss ein System umgestellt werden, das pro Jahr die gigantische Summe von etwa 15 Milliarden Euro umverteilt. Zum Vergleich: Die steuerliche Gleichstellung der Homo-Ehe würde diesen Betrag lediglich um höchstens 30 Millionen Euro erhöhen. Das sind gerade mal 0,2 Prozent der Gesamtsumme.

Was ist der Unterschied zwischen Ehegattensplitting und Familiensplitting?

Beim Ehegattensplitting wird das Einkommen des Mannes und der Frau addiert, durch zwei geteilt und so jeweils mit einem niedrigeren Satz besteuert. Daraus ergibt sich für den besser verdienenden Ehepartner ein geldwerter steuerlicher Vorteil. Dieser ist am größten, wenn einer der beiden gar nichts verdient und kann schnell bei mehreren Tausend Euro im Jahr liegen. Verdienen beide in etwa gleich viel, ist der Splitting-Vorteil minimal.

In seiner einfachsten Form ist das Familiensplitting eine einfache Erweiterung des Ehegattensplittings. Je nachdem wie viele Kinder in der Familie sind, wächst die Zahl der am Splitting beteiligten Personen. Bei einer vierköpfigen Familie wird das Einkommen also durch vier geteilt und dementsprechend niedriger versteuert. Je mehr Kinder in einer Familie sind, desto höher ist also der steuerliche Vorteil.

Was sind die Nachteile?

Drei sind offenkundig. Da die Familien mit Kindern von der Regelung deutlich stärker profitieren würden als bislang, gingen die Steuereinnahmen des Staates erheblich zurück. Je nach Ausgestaltung ist von bis zu 13 Milliarden Euro die Rede. Zur Gegenfinanzierung wird immer wieder ins Spiel gebracht, das Kindergeld zu kürzen oder zu streichen. Geschähe dies, würde sich ein auch schon dem Ehegatten-Splitting innewohnender Effekt zusätzlich verschärfen - die Gutverdiener hätten den größten Vorteil. Besonders groß wäre dieser Vorteil, wenn es - Nachteil Nummer drei - in der Familie nur einen Verdiener gäbe. Womit das Familiensplitting noch stärker als bisher das Ehegattensplitting dafür sorgte, dass einer - zumeist die Frau - nicht arbeiten geht.

Kann man diese Nachteile beheben?

Eine im Nachbarland Frankreich praktizierte Methode ist es, die ersten beiden Kinder nicht voll am Splitting teilhaben zu lassen, sondern nur zur Hälfte (0,5). Das Einkommen einer vierköpfigen Familie würde also nicht durch vier, sondern durch drei (1 +1+0,5+0,5) geteilt. Dadurch vermindert sich der steuerliche Vorteil. Alternativ kann auch die Höhe der übertragbaren Summe begrenzt werden. Das macht das Familiensplitting für Gutverdiener weniger attraktiv. Beide Ansätze lindern die Steuerausfälle des Staates und sind für Spitzenverdiener weniger lukrativ.

Beim sogenannten Familienrealsplitting wird schließlich von systematisch festgelegten Zahlungen an die Kinder ausgegangen. Diese orientieren sich meistens am Unterhaltsanspruch, der beispielsweise anhand der Düsseldorfer Tabelle abgelesen werden kann. Dieser Betrag soll dann steuerfrei gestellt werden. Je nach Modell fällt er bei Familien mit höherem Einkommen höher aus als bei Familien mit niedrigem Einkommen.

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Quelle:
SZ vom 05.03.2013/dgr/odg
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