Familienpolitik unter Kristina Schröder:Immer nur Geld

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Davon braucht Deutschland dringend mehr: Babys.  (Foto: dpa)

200 Milliarden Euro gibt Deutschland jährlich für seine Familien und Ehen aus, doch andere Länder sind der Bundesrepublik in vielen Bereichen voraus. Trotzdem will Familienministerin Schröder am deutschen Leistungswirrwarr nichts ändern.

Ein Kommentar von Robert Roßmann

Die Zahlen hören sich selbst im Zeitalter der Euro-Krise gewaltig an. Mehr als 200 Milliarden Euro investiert Deutschland in seine Ehen und Familien - jährlich, wohlgemerkt. Es gibt nicht weniger als 156 verschiedene Leistungen. Eltern-, Kinder- und Mutterschaftsgeld, beitragsfreie Mitversicherung in der Krankenkasse, Bafög, Familienzuschläge, Jugendhilfe, Kinderfreibeträge und vieles mehr entlasten die Eltern. Über die Jahrzehnte ist eine gewaltige Zahl teurer Leistungen entstanden. Ist das wirklich alles nötig?

Für viele Eltern ist schon die Frage ungehörig. Sie addieren gerne die Kosten, die Kinder im Laufe des Lebens verursachen - und beklagen, dass der Staat diese bei Weitem nicht ausgleiche. Das stimmt, aber dafür ist der Staat auch nicht da: Eltern entscheiden sich freiwillig für Kinder. Sie tun das in Kenntnis der Belastungen, Kinder werden nicht bei der Lektüre von Renditetabellen gezeugt. Außerdem müsste man dann ja all das Glück gegenrechnen, das Kinder ins Leben bringen.

Es geht deshalb um etwas anderes: Der Staat muss dafür sorgen, dass jedes Kind dieselben - und zwar gute - Chancen hat. Er muss sich darum kümmern, dass Familien auch wirtschaftlich stabile Einheiten sind. Nur in einem sicheren Raum können sich Kinder entfalten. Und er muss dafür sorgen, dass Familie und Beruf vereinbar sind. Für Frauen darf die Geburt eines Kinder nicht mehr den Abschied von der Karriere bedeuten. All das ist nicht nur ein Gebot des Sozialstaats. Es ist auch im ureigensten Interesse der Gemeinschaft. Deshalb gibt Deutschland zu Recht viel Geld für seine Familien aus.

Das enthebt den Staat aber nicht von der Pflicht, dies möglichst effizient zu tun. Die Bundesregierung hat deshalb bereits 2009 eine Gesamtevaluation aller Leistungen in Auftrag gegeben. Jetzt liegt das Ergebnis vor. Und die Schlüsse der Regierung sind erstaunlich. Keine einzige Leistung müsse abgeschafft werden, sagt Familienministerin Kristina Schröder. Die Vielzahl der Leistungen sei kein Wirrwarr, sondern die Voraussetzung für individuell passgenaue Angebote. Eigentlich, sagt die Ministerin, laufe in Deutschland doch alles relativ wunderbar. Etwas weniger Bürokratie, einfachere Anträge und eine bessere Abstimmung zwischen einigen Leistungen - damit sei es praktisch getan.

Nun kann eine Familienministerin kein Interesse daran haben, familienpolitische Leistungen ohne Not in Frage zu stellen. Außerdem ist Wahlkampf. Da verärgert man die Bürger nur ungern mit Kürzungen oder Änderungen. Trotzdem macht es sich Schröder angesichts der offenkundigen Defizite zu einfach.

Deutschland gibt mehr als andere Länder für familienpolitische Leistungen aus. Trotzdem sind die Ergebnisse oft unterdurchschnittlich. Das gilt nicht nur für die Geburtenrate. Die liegt trotz des teuren Elterngelds immer noch am Ende der europäischen Skala. Es ist zwar richtig, dass der häufigste Grund für ungewollte Kinderlosigkeit immer noch ein fehlender Partner ist; daran kann der Staat nichts ändern. Unstrittig ist aber auch, dass ein passendes Umfeld die Entscheidung für Kinder erleichtert. In Frankreich gibt es ein großes Angebot an Dienstleistungen für Eltern. Skandinavien glänzt mit Arbeitszeitmodellen, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern. Beides stünde Deutschland auch gut an. Doch hierzulande müssen sich Eltern immer noch um Betreuungsplätze balgen. Und in den Unternehmen herrscht eine anachronistische Präsenzkultur.

Deutschland versucht noch immer zu viel mit Geld und zu wenig mit Infrastruktur zu lösen. Experten beklagen das seit Langem - ohne Erfolg. Die Union hat jetzt sogar angekündigt, das Kindergeld und die Freibeträge noch weiter zu erhöhen. Und bald gibt es auch noch das Betreuungsgeld. Gleichzeitig leiden die Kitas an allem: Es gibt zu wenig Personal. Die Bezahlung der Angestellten ist unwürdig schlecht, ihre Qualifikation deshalb nicht immer die Beste. Die Gruppen sind für die kleinen Kinder zu groß - und die Ausstattung vieler Krippen ist erbärmlich.

Schuld daran sind vor allem die Bundesländer, die ihre Verantwortung für die Kitas sträflich vernachlässigen - da hat Schröder recht. Aber das nimmt ihr nicht die Pflicht, die Leistungen des Bundes zu überprüfen: Sind Kindergeld-Erhöhungen wirklich noch zeitgemäß? Erfüllt das Ehegattensplitting den richtigen Zweck? Sollen reiche Eltern über den Freibetrag tatsächlich mehr Geld für ihr Kind bekommen als ärmere? Und: Wäre das Betreuungsgeld in Kitas nicht besser angelegt?

Die Bundesregierung hat es jetzt versäumt, überzeugende Antworten auf all diese Fragen zu geben. Wer so mit teuren Studien umgeht, kann sich diese eigentlich gleich sparen.

© SZ vom 21.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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