Familienpolitik:Schwesig will Alleinerziehende länger unterstützen

Manuela Schwesig

Familienministerin Manuela Schwesig will, dass der Staat länger für säumige Unterhaltspflichtige einspringt.

(Foto: dpa)
  • Familienministerin Manuela Schwesig will die Situation alleinerziehender Eltern verbessern, deren Ex-Partner nicht für ihre Kinder aufkommen.
  • Der Staat soll nach dem Wunsch der Ministerin länger als bisher für den Unterhalt einspringen, wenn ein Elternteil nicht zahlt.
  • Ein Gutachten kritisiert zudem, dass Alleinerziehenden ihr Anteil am Kindergeld vom Unterhaltvorschuss abgezogen wird.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Sie sind wegen Scheidung verarmt, unbekannt verzogen oder nach Zeugung abgängig. Und wenn das Amt dann doch mal an ihre Tür klopft, drehen nicht wenige die Taschen und sagen: "Tut mir leid, kein Geld." Unterhaltspflichtige Eltern, die für ihre Kinder nicht zahlen, haben in Deutschland gute Chancen, vom Staat niemals zur Kasse gebeten zu werden.

In etlichen Bundesländern geht der Druck gegen null, den Ämter auf säumige Eltern ausüben, zu 90 Prozent sind es Väter. Gleichzeitig müssen Bund und Länder immer mehr Geld für Alleinerziehende vorstrecken, weil Ex-Partner nicht für ihre Kinder aufkommen: 2015 waren es 843 Millionen Euro. Wird ein Kind dann zwölf, zieht auch der Staat sich zurück und überlässt Alleinziehenden die ermüdende Jagd nach dem Kindesunterhalt.

Familienministerin Manuela Schwesig will das ändern und den Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende reformieren. Statt wie bisher nur bis zum zwölften Geburtstag eines Kindes sollen Jugendämter bis zum 18. Geburtstag den Unterhalt vorschießen, wenn ein Elternteil nicht zahlt. Auch die Regelung, wonach der Staat nur maximal sechs Jahre für den Unterhalt einspringt, will Schwesig abschaffen.

Aus der Opposition bekommt sie dafür Unterstützung, Grüne und Linke fordern längst ähnliche Korrekturen. Selbst Familienpolitiker der CSU zeigen Sympathie für den Vorschlag. Ob Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) erneut die Schatulle für Alleinerziehende öffnet, ist jedoch noch längst nicht ausgemacht.

Gutachten zeigt deprimierendes Bild

Und mit Geld allein ist es nicht getan, denn der Teufel sitzt auch in ineffektiven Vorschriften. Das zeigt eine neue Untersuchung der Sozialrechtsexpertin Maria Wersig, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Wersig, Professorin an der Fachhochschule Dortmund, hat für die grünennahe Heinrich-Böll-Stiftung ein Gutachten zum Reformbedarf im Unterhaltsvorschussgesetz verfasst. Es zeigt ein deprimierendes Bild.

Jede dritte Alleinerziehende ist auf Sozialleistungen angewiesen, zwei von drei übernehmen beides: die Betreuung der Kinder und die Sicherung ihrer Lebensgrundlagen. Bis zu 50 Prozent Alleinerziehende erhalten keinen oder zu wenig Unterhalt, nur jede vierte klagt - oft aus Rücksicht auf den Kontakt des Kindes zum Vater. Oft reicht der Unterhalt auch nicht für den Mindestbedarf der Kinder.

"Es wird viel über enorme Belastungen für unterhaltspflichtige Väter geredet, aber kaum darüber, wie der Staat Alleinerziehende mit ihren Lebensrisiken alleinlässt", sagt Wersig. Sie unterstützt die Forderung der Familienministerin, das Zeitfenster zu vergrößern, in dem der Staat Unterhalt vorschieße. Das aber reiche nicht.

Problematisch sei auch, so Wersig, dass Alleinerziehenden ihr Anteil am Kindergeld vom Unterhaltvorschuss abgezogen wird. Dies widerspreche der Systematik des Unterhaltrechts. Und während Schwesig will, dass Alleinerziehende mit Hartz IV keinen Unterhaltvorschuss mehr kriegen, weil er ihnen ohnehin wieder abgezogen wird, warnt Wersig davor, die Leistung nur noch Erwerbstätigen zu zahlen. Dann werde die Gruppe der Anspruchsberechtigten so klein, dass das Problem politisch aus dem Blick gerate.

Nicht zuletzt seien es die Väter, die effektiver zur Zahlung aufgefordert werden müssten. Viele Bundesländer aber schaffen es kaum, sich den vom Staat vorgeschossenen Unterhalt von säumigen Eltern zurückzuholen. In Nordrhein-Westfalen lag die Rückholquote 2014 bei 25 Prozent, in Sachsen bei 16 Prozent und in Bremen nur bei kläglichen elf Prozent. Bayern, wo Finanzbeamte des Landes bei der Eintreibung der Gelder durch Kommunen mitwirken, kam dagegen auf eine Rückholquote von 36 Prozent. Als wegweisend könne hier aber auch Großbritannien gelten, so Wersig, wo der Child Maintenance Service Unterhaltansprüche systematisch durchsetze.

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