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Familienpolitik:Bildungsbericht stärkt Gegner des Betreuungsgeldes

Das geplante Betreuungsgeld gefährdet den Ausbau der Kindertagesstätten. Zu diesem Schluss kommt der neue nationale Bildungsbericht von Bund und Ländern. Allerdings profitieren vor allem die Kinder von Besserverdienenden vom Besuch einer Kita.

Im neuen nationalen Bildungsbericht von Bund und Ländern wird eindringlich vor der Einführung eines Betreuungsgeldes gewarnt. Der Ausbau der Kindertagesstätten, die Einlösung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz für Kinder unter drei Jahren sowie dringend notwendige qualitative Verbesserungen in Kinderkrippen wie Kindergärten stellten den Staat jetzt schon vor erhebliche finanzielle Herausforderungen.

Bei zusätzlichen Leistungen - wie dem Betreuungsgeld - bestehe dagegen die Gefahr, dass keines der angestrebten Ziele zufriedenstellend erreicht werden kann. Bundesbildungsministerium und die Kultusministerkonferenz (KMK) der Länder hatten den Bericht gemeinsam bei namhaften Wissenschaftlern in Auftrag gegeben. Er soll an diesem Freitag in Berlin veröffentlicht werden.

Die Wissenschaftler verweisen in ihrer Analyse auf verschiedene aktuelle Untersuchungen, die den Nutzen frühkindlicher Bildung in Betreuungseinrichtungen eindeutig belegten. So verfügten Kinder, die vor ihrer Einschulung mindestens drei Jahre eine Kita besuchten, in der vierten Grundschulklasse beim Lesen und beim Textverständnis in der Regel über einen Lernvorsprung von gut einem Schuljahr. Solche erheblichen Lernvorsprünge fänden sich "auffällig" oft auch bei Kindern aus problematischen Elternhäusern oder aus Migrantenfamilien.

Wesentliche Profiteure vom Kita-Besuch der Kleinen sind allerdings laut Bericht Familien mit hohem Bildungsniveau, die sich ohnehin intensiv um die Vorbildung ihrer Kinder kümmern - zum Beispiel durch Vorlesen, Wortspiele und Geschichten erzählen.

Bildungsstand prägt Leseorientierung

Auch wenn beide Elternteile berufstätig seien und das Kleinkind tagsüber in einer Kita betreut werde, ließen diese zusätzlichen Aktivitäten der Eltern nicht nach. "Die Leseorientierung in der Familie wird durch den Bildungsstand der Eltern geprägt", heißt es in der Analyse weiter. Kinder, die aber diese Unterstützung nicht erhielten und gleichzeitig auch keine Kita besuchten, seien bei der Bildung doppelt benachteiligt, folgern die Wissenschaftlern.

Laut Bericht werden in Deutschland etwa ein Viertel der Kinder zwischen drei und sieben Jahren als "sprachförderbedürftig" eingestuft. Dies gilt insbesondere für Kinder mit nichtdeutscher Familiensprache und Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern. Die Koalition will auf Betreiben der CSU den umstrittenen Gesetzentwurf zum Betreuungsgeld noch vor der Sommerpause in den Bundestag einbringen.

Wie der Obmann der Unionsfraktion im Familienausschuss, Markus Grübel, den Stuttgarter Nachrichten sagte, gibt es inzwischen einen ersten Kompromissvorschlag im anhaltenden Streit um das Thema: Dieser sieht ein Wahlrecht zwischen der Barauszahlung des Betreuungsgeldes und einem Gutschein für den Abschluss einer Riester-Rente vor.

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