Familienpolitik:Alte Forderung, neues Argument

Die frei werdende Milliarde aus dem Betreuungsgeld soll offenbar zum Teil an die Länder fließen. Die Länderchefs haben ihre Ansprüche bereits angemeldet.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Geschätzte 110 000 Flüchtlingskinder unter sechs Jahren werden nach Angaben des Bundesfamilienministeriums im Jahr 2015 nach Deutschland kommen. Wenn sie ins deutsche Schulsystem eingefädelt werden sollen, sind große Anstrengungen nötig. Allein für den Mehrbedarf in Kitas müssen Kommunen rund 550 Millionen Euro zusätzlich aufbringen, errechnete man jetzt im Haus von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD). Woher die Mittel kommen sollen, wird nun zum Zankapfel zwischen Bund und Ländern, aber auch in der Koalition.

Geht es nach der Familienministerin, wird der wachsende Kita-Bedarf auch mit dem Betreuungsgeld finanziert. Seit Karlsruhe die Leistung für Familien gekippt hat, fordert Schwesig beharrlich, sie in die Verbesserung von Kitas zu stecken. Gerade angesichts der Flüchtlingszahlen sei mehr Hilfe nötig. "Integration beginnt nicht erst beim Einstieg in den Arbeitsmarkt. Integration beginnt bereits im Vorschulalter, daher ist der Besuch einer Kita gerade auch für Flüchtlingskinder so wichtig", sagte Schwesig der Süddeutschen Zeitung. Wo mehr Sprachförderung und therapeutische Zuwendung nötig sei, müsse nachgebessert werden. "Die Gruppen in den Kitas dürfen nicht größer werden. Im Gegenteil: Eltern wünschen sich kleinere Gruppen und mehr Erzieher und Erzieherinnen."

Die Länderchefs wollen die Betreuungsgeld-Milliarde für sich reklamieren

Nun ist schwer einzuschätzen, wie groß der Betreuungsbedarf bei den Flüchtlingsfamilien tatsächlich wird. Das Bundesfamilienministerium lehnt sich bei seiner Berechnung an die Betreuungsquote bei Kindern mit Migrationshintergrund an. Wenn unter den Flüchtlingskindern 90 Prozent der Über-Dreijährigen und 30 Prozent der Unter-Drei-Jährigen eine Kita besuchten, müssten die Kommunen allein für Betriebskosten eine gute halbe Milliarde Euro mehr aufbringen. Die Gesamtkosten für Länder und Kommunen sollen im kommenden Jahr um 2,4 Milliarden Euro steigen, 2018 sollen es schon 4,9 Milliarden Euro sein. Darin seien noch keine Kosten für die allseits geforderte Qualitätsverbesserung in Kitas enthalten. Der Bund beteilige sich an diesen steigenden Kosten bisher nicht, so Schwesig.

Die Klage der Ministerin ist unüberhörbar: Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) soll von seinem Plan abrücken, die frei werdende Betreuungsgeld-Milliarde in den Haushalt zurückfließen zu lassen. Schäuble hat dies angekündigt und darauf verwiesen, dass die Ausgaben für das Elterngeld stark steigen. Bis 2018 seien zusätzliche 800 Millionen Euro nötig, damit sei das Betreuungsgeld fast verbraucht. Schwesig hielt dagegen und glaubte im Kampf ums Geld die Länder auf ihrer Seite, auch Bayern. CSU-Chef Horst Seehofer hatte angekündigt, die Mittel unbedingt den Familien erhalten zu wollen.

Ob es so kommt aber ist fraglich. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hat Seehofer sich bereits mit Bundeskanzlerin Angela Merkel auf einen Kompromiss verständigt. Demnach sollen vom Betreuungsgeld, das nach und nach frei wird, zuerst die steigenden Kosten fürs Elterngeld abgedeckt werden. Die restlichen Mittel - und nur diese - könnten an die Länder gehen und bei Bedarf für Kitas oder Kleinkindbetreuung eingesetzt werden. Da die Kosten für das Elterngeld im Bund jedes Jahr steigen, würde der Anteil der Länder mit jedem Jahr kleiner. Die Regelung soll auf drei Jahre beschränkt werden.

Auf Länderseite wird betont, man wolle die ganze Summe, die Dinge aber seien im Fluss. "Die bislang für das verfassungswidrige Betreuungsgeld aufgewandten Mittel möchte Niedersachsen vollständig in die frühkindliche Bildung und Betreuung in Krippen und Kitas stecken", sagte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) der SZ. Auch beim Treffen der Ministerpräsidenten am Mittwochabend kam das Betreuungsgeld zur Sprache. Nach Angaben aus Teilnehmerkreisen wurde ein Kompromiss erörtert. Die Länderchefs seien sich einig, dass die Mittel aus dem Betreuungsgeld im Rahmen des Länderfinanzausgleichs an die Länder verteilt werden sollen. Das aber würde bedeuten, dass eine Zweckbindung für Kitas und Familien, wie die Familienministerin sie wünscht, vom Tisch wäre. Das letzte Wort, heißt es in der SPD, sei hier noch nicht gesprochen.

Statement Schwesig zum Betreuungsgeld

Will den wachsenden Kita-Bedarf für Flüchtlingskinder auch mit dem Betreuungsgeld finanzieren: Familienministerin Manuela Schwesig.

(Foto: Wolfgang Kumm/dpa)
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