Familiennachzug:Ein Schauergemälde

Flüchtlinge holen viel weniger Angehörige nach als von populistischer Seite gern behauptet wird.

Von Jan Bielicki

Stammt jemand aus dem Orient, gilt er ja gemeinhin als Familienmensch. Nur trägt diese eigentlich positive Charakterzuschreibung hierzulande eben nicht zur Beruhigung der Gemüter bei, seitdem mehrere Hunderttausend Menschen aus Syrien und dem Irak nach Deutschland geflüchtet sind. Wer die Furcht vor Fremden anstacheln will, beschwört gerne ein Bild herauf, auf dem jeder anerkannte Flüchtling einen ganzen Klan von Angehörigen nachkommen lässt, eine Kinderschar, die Zweitfrau und die Cousins bis zum x-ten Grad inklusive.

Das war natürlich immer ein Schauergemälde, das mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat. Nachziehen dürfen ohnehin nur die allerengsten Angehörigen; von denen, die bereits hier sind, haben viele noch keine eigene Familie gegründet oder ihre Ehegatten und Kinder bereits mitgebracht. Jeder anerkannte Flüchtling aus Syrien wird daher laut amtlichen Hochrechnungen im Schnitt nicht vier, wie vielfach befürchtet, sondern allenfalls einen Angehörigen nachholen.

Auch das wird eine sehr große, aber eben doch zu bewältigende Zahl von Menschen sein, die ein Grundrecht auf Schutz ihrer Familie besitzen. Angst vor Familienmenschen muss wirklich niemand haben - im Gegenteil: Wer seine Verwandten um sich hat, integriert sich erfahrungsgemäß deutlich leichter als derjenige, der allein und in steter Sorge um seine Liebsten lebt.

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