Familienministerin Schröder:"Gewollt kinderlos sind die wenigsten"

Familienministerin Kristina Schröder ist gerade hochschwanger, im Juli erwartet sie ihr Baby. Jetzt will sie Paaren helfen, die keine Kinder bekommen können. Künstliche Befruchtungen sollen stärker finanziell gefördert und Adoptionen erleichtert werden.

Stefan Braun

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) will sich verstärkt eines Themas annehmen, über das bislang oft nur im privaten Umfeld gesprochen, aber öffentlich kaum diskutiert wird: das Problem von Paaren, die keine Kinder bekommen können, obwohl sie gerne welche hätten.

Kabinett

"Wir überschätzen maßlos die Zahl derer, die wirklich keine Kinder wollen". Familienministerin Kristina Schröder (CDU) will künstliche Befruchtungen und Adoptionen für ungewollt kinderlose Paare erleichtern.

(Foto: dpa)

"Man redet kaum darüber, aber in Wahrheit kennen die allermeisten Menschen Freunde oder Verwandte, die dieses Pech haben", sagte Schröder der Süddeutschen Zeitung. "Diese Menschen leiden zumeist sehr darunter und werden oft ein zweites Mal schwer getroffen, weil sie schnell mit einem pauschalen Hedonismusvorwurf belegt werden." Deshalb wolle sie der Entwicklung etwas entgegensetzen. "Wir überschätzen maßlos die Zahl derer, die wirklich keine Kinder wollen."

Jedes zehnte Paar ist ungewollt kinderlos

Tatsächlich sei eine sehr große Gruppe der Kinderlosen verzweifelt und habe es verdient, dass sich die Politik ihrer besser annehme. Die Gründe für Kinderlosigkeit seien sicher unterschiedlich: So spiele der innere Konflikt zwischen Karriere und Familie genauso eine Rolle wie in anderen Fällen der fehlende Partner. Immer häufiger aber gebe es durch gravierende Umwelteinflüsse und eine immer spätere Familiengründung medizinische Probleme. Zahlen des Familienministeriums zufolge ist beinahe jedes zehnte Paar zwischen 25 und 59 ungewollt kinderlos und auf medizinische Hilfe angewiesen.

Nach Schröders Vorstellung muss sich vor allem an zwei Stellen etwas bewegen: bei den finanziellen Hilfen für eine künstliche Befruchtung und bei der Möglichkeit von Adoptionen. "Ich finde es unerträglich, wenn Kinderwünsche am Geld scheitern", sagte die Ministerin.

Die Politik rede unentwegt über die demographischen Veränderungen und die Nöte durch sinkende Geburtenzahlen. Wer dies ernst nehme, müsse gerade auch jenen Paaren mehr helfen, die auf natürlichem Wege keine Kinder bekommen könnten. "Ich erhalte viele Briefe von Paaren, die mir schildern, wie sie sich das Geld für die medizinische Hilfe mühsam zusammensparen, dann verzweifeln, wenn es nicht klappt, wieder anfangen zu sparen - und das mit dem Druck der tickenden biologischen Uhr."

Die Politik und die Zahl der Befruchtungen

Die letzte Änderung der gesetzlichen Grundlagen für eine Unterstützung bei künstlichen Befruchtungen liegt sieben Jahre zurück. Damals hatten sich die SPD-geführte Bundesregierung und die Opposition von der Union darauf verständigt, die Hilfen nicht etwa zu erhöhen, sondern zu kürzen. Bis zur damaligen Gesundheitsreform hatten die gesetzlichen Krankenkassen vier Versuche komplett übernommen, seither wird für maximal drei Versuche die Hälfte der Kosten übernommen.

Streitfall PID

Vor sieben Jahren hat die Bundesregierung die Förderung der künstlichen Befruchtung gekürzt. Seither werden für kinderlose Paare nur noch drei Versuche voll bezahlt. Familienministerin Schröder fordert eine Rückkher zur alten Regelung. Damals wurden die Kosten für vier Versuche übernommen.

(Foto: dpa)

Eine entsprechende Behandlung kostet zwischen 3200 und 5000 Euro. Die Altersgrenze liegt bei 40 Jahren für Frauen und 50 Jahren bei den Männern. Durchschnittlich jeder vierte Versuch ist dabei erfolgreich. Im Jahr nach der Entscheidung halbierte sich die Anzahl der Versuche zur künstlichen Befruchtung - von gut 80.000 auf 37.000. Seither ist sie langsam wieder gestiegen, liegt aber bis heute deutlich unter dem Niveau, das sie vor dem Jahr 2004 aufwies.

"Hier gibt es einen glasklaren Zusammenhang zwischen politischem Handeln und der Anzahl der Geburten aus künstlicher Befruchtung. Deshalb müssen wir was tun", sagt Schröder. Ihr schwebt vor, insbesondere bei der Kostenübernahme wieder etwas zu ändern. "Hier brauchen wir eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bund, Ländern und gesetzlichen Krankenkassen." Eine Variante könnte es sein, zur alten Regelung zurückzukehren. Derzeit geben die Krankenkassen etwa 76 Millionen Euro im Jahr für künstliche Befruchtungen aus.

Altersgrenze von 40 Jahren soll gelockert werden

Die zweite Änderung, die sie anstrebt, dreht sich um die "Empfehlungen" der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter für Adoptionen. Dabei will Schröder erstens die Altersgrenze von 40 Jahren lockern und zweitens die Auflage aufweichen, dass nach den Empfehlungen ein Elternteil dem Kind "die ungeteilte Zuwendung" zukommen lassen soll, weshalb nicht beide Partner berufstätig sein können.

Obwohl die Regeln formal den Charakter von Empfehlungen tragen, wirken sie sich laut Schröder faktisch wie klare Begrenzungen aus. Sie will beide Regeln lockern: "Natürlich muss das Kindeswohl im Mittelpunkt stehen. Aber diese Regeln sind anachronistisch - da hat man nicht Schritt gehalten mit den Entwicklungen der letzten Jahre."

Schröder betont, sie wisse, dass so nicht alle Probleme aus der Welt seien. Aber durch mehr Unterstützung und eine intensivere Debatte darüber könne man der Diffamierung unfreiwillig kinderloser Paare etwas entgegensetzen. Erst vor kurzem habe ein Mann in einem Brief an sie erklärt, dass er vor kinderlosen Frauen keinen Respekt habe. "Als ich das las, stellte ich mir vor, wie das auf Frauen und Männer wirkt, die seit Jahren verzweifelt um einen Kind kämpfen."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: