Familienministerin:Besserer Kinderschutz

Manuela Schwesig sichert den Kommunen dauerhaft jährlich 51 Millionen Euro zu - und plant eine Reihe von Änderungen.

Von Korbinian Eisenberger, Berlin

Vor sieben Jahren verhungerte die fünfjährige Lea-Sophie vor den Augen ihrer Eltern. Schon Wochen vor seinem Tod in der Wohnung ihrer Mutter in Schwerin war das Mädchen nur noch Haut und Knochen - und die Menschen fragten sich, wie so etwas passieren konnte. Die SPD-Politikerin Manuela Schwesig saß damals im Schweriner Stadtrat. "Der Hungertod von Lea-Sophie hat mich im politischen Bereich geprägt", sagte Schwesig, mittlerweile Bundesfamilienministerin, am Mittwoch in Berlin. Dort stellte sie die Bewertung des vor drei Jahren neu eingeführten Bundeskinderschutzgesetzes vor.

In ihrem vom Kabinett gebilligten Bericht kam Schwesig zu dem Fazit, dass seither mehr Eltern auf Hilfeangebote zurückgreifen würden. Insbesondere die frühen Hilfen für gefährdete Familien hätten sich damit bewährt - etwa Familienhebammen, die junge Eltern vor und bis zu einem Jahr nach der Geburt begleiten. Gleichzeitig sei "deutlich geworden, dass an einigen Stellen nachgebessert werden muss", so Schwesig. Um dies zu erreichen, garantiert sie Kommunen von Januar an dauerhaft eine Unterstützung von 51 Millionen Euro jährlich, so wie bereits in der Modellphase 2014 und 2015.

Die schwarz-gelbe Regierung hatte das Bundeskinderschutzgesetz unter dem Eindruck mehrerer Kindstötungen im Januar 2012 eingeführt. Vorausgegangen war der grausame Tod des zweijährigen Kevin 2006 in Bremen und die Hungertode der siebenjährigen Jessica (Hamburg, 2005) und Lea-Sophie (Schwerin, 2008). 2010 waren zahlreiche Missbrauchsfälle in Kirchen und anderen Institutionen publik geworden, seither gibt es immer wieder Beispiele von misshandelten oder getöteten Kindern.

Prozess Hungertod Lea-Sophie - Mordanklage gegen Eltern

Erinnerungen vor dem Haus, in dem die kleine Lea-Sophie verhungerte.

(Foto: Jens Büttner/dpa)

Um dem vorzubeugen, plant die Familienministerin eine Änderung in der Kinderbetreuung. Anders als bisher soll nicht nur vorbestraften Kindsmisshandlern und Sexualstraftätern der Zugang zu Tätigkeiten mit Kindern verwehrt werden, sondern auch Gewalttätern und Totschlägern. Schwesig will zudem ein Negativ-Führungszeugnis einführen, das ausschließlich die dafür relevanten Eintragungen im polizeilichen Führungszeugnis aufweist. "Das erleichtert die Bürokratie", sagte Schwesig.

Mehr Rechte soll es dagegen für Ärzte geben. Seit 2012 dürfen diese das Jugendamt bereits über auffällige Verletzungen oder Mangelerscheinungen bei einem Kind informieren. Bisher erhalten sie jedoch keinerlei Rückmeldung darüber, ob es sich dabei um ein Fehlverhalten der Eltern handelte oder nicht. Viele Ärzte bemängeln, dass es so komplizierter sei, die eigene Wahrnehmung einzuordnen. Deshalb, so Schwesig strebe sie eine Datenschutz-Änderung an, um Jugendämtern künftig zu erlauben, Ärzte zu informieren, falls sich ein Verdacht bestätigt.

Schwesig will Kinder jedoch nicht nur besser vor Misshandlung und Übergriffen schützen, sondern auch deren Mitbestimmungsrechte stärken. Eltern, die ihr Neugeborenes etwa in ein Heim oder eine Pflegefamilie geben, soll es demnach schwieriger gemacht werden, die Kinder nach Jahren zurückzufordern. "Wenn man acht Jahre bei Pflegeeltern aufgewachsen ist, wird es oft schwierig, weil ein Kind dann meistens längst sozialisiert ist", sagte Schwesig. Vor Gericht bekämen im Streitfall derzeit jedoch meist die leiblichen Eltern Recht. Die Kinder müssen dann ihre Pflegefamilie verlassen, ob sie wollen oder nicht.

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