Süddeutsche Zeitung

Bundesregierung:Familienministerin Spiegel tritt zurück

Ihre Fehler im Umgang mit der Hochwasserkatastrophe in Rheinland-Pfalz holen die frühere Landesministerin ein. Die Grüne begründet den Amtsverzicht mit "politischem Druck".

Von Nina von Hardenberg und Roland Preuß, München

Nur etwa vier Monate nach ihrer Vereidigung tritt die Grünen-Politikerin Anne Spiegel vom Amt der Bundesfamilienministerin zurück. Sie habe sich "aufgrund des politischen Drucks" dazu entschieden, erklärte sie am Montag in Berlin. "Ich tue dies, um Schaden vom Amt abzuwenden, das vor großen politischen Herausforderungen steht."

Spiegel holen damit ihre Fehler beim Umgang mit der Hochwasserkatastrophe im vergangenen Jahr in Rheinland-Pfalz ein. Damals war sie als rheinland-pfälzische Umweltministerin auch für den Katastrophenschutz verantwortlich. Am Wochenende war bekannt geworden, dass sie kurz nach der Flut mit ihrer Familie in einen vierwöchigen Urlaub nach Frankreich fuhr, den sie nur einmal für einen Ortstermin im Ahrtal unterbrach.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ließ seinen "großen Respekt" für den Schritt ausrichten. Der Kanzler habe mit Spiegel im Kabinett eng und vertrauensvoll zusammengearbeitet, erklärte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann. "Er wünscht ihr nach dieser schweren Zeit für die Zukunft alles Gute." Scholz hatte sich noch am Morgen hinter die Ressortchefin gestellt und mitgeteilt, ihr Auftritt am Vorabend habe ihn bewegt und betroffen gemacht.

Spiegel hatte am Sonntagabend in einem kurzfristig angekündigten und sehr persönlichen Statement um Entschuldigung für ihr Verhalten gebeten und so noch versucht, den Rücktritt abzuwenden. Ihre Familie habe den Urlaub gebraucht, "weil mein Mann nicht mehr konnte", sagte Spiegel.

In einer für Politiker ungewöhnlichen, radikalen Offenheit legte sie ihre persönliche Situation im Sommer 2021 dar. Ihr Mann habe 2019 einen Schlaganfall erlitten und müsse seither "ganz unbedingt Stress vermeiden". Corona sei für ihre Familie mit vier kleinen Kindern eine "wahnsinnige Herausforderung" gewesen. In dieser Situation habe sie sich selbst beruflich übernommen. "Es war zu viel", sagte die 41-Jährige. "Das hat uns als Familie über die Grenze gebracht." Bei dem Auftritt räumte Spiegel ein, dass sie sich anders als ursprünglich mitgeteilt nicht aus dem Urlaub zu den Kabinettssitzungen zugeschaltet hatte.

Das persönliche Bekenntnis der Familienministerin löste in der Union unterschiedliche Reaktionen aus. CSU-Generalsekretär Stephan Mayer hatte am Morgen die zuvor von vielen Unionspolitikern formulierten Rücktrittsforderungen wiederholt. Nachdenklicher äußerte sich Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Es müsse möglich sein, "dass auch Menschen mit einer Familie, auch mit kleinen Kindern Politik machen können", sagte der Vater einer kleinen Tochter. Wüst hatte keine direkte Rücktrittsforderung an Spiegel gerichtet. Auch er verwies aber darauf, dass SPD und Grüne in NRW selbst vehement den Rücktritt von Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) gefordert hätten. Diese hatte nach ähnlichen Vorwürfen vergangene Woche ihr Amt niedergelegt.

Wer Spiegels Amt übernehmen wird, blieb zunächst offen. Die Grünen kündigten "zeitnah" eine Entscheidung über eine Nachfolge an.

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