Familie und Beruf:Im Namen des Kindes

Die Gerichtshochburg Karlsruhe soll eine Justiz-Kita bekommen und damit familienfreundlicher werden. Für Richterinnen könnte das ein Segen sein - in der Welt der Justiz haben sie Nachteile.

Von Wolfgang Janisch

Manchmal sind sie auch selbstironisch am wichtigsten Justizstandort Deutschlands, das klingt dann so: Karlsruhe hat viele Gesichter, jedes zweite gehört einem Richter. Die Justiz, soll das heißen, ist unter den 300 000 Karlsruhern schon eine Größe. Etwa 850 Richter und sonstige Mitarbeiter bieten allein die Gerichte des Landes auf, hinzu kommen der Bundesgerichtshof (circa 400 Beschäftigte, etwa 130 von ihnen Richter) sowie das Bundesverfassungsgericht (260 Mitarbeiter, 16 Richter). Darunter: viele Mütter, viele Väter. Daher haben sie nun einen Plan gefasst in Karlsruhe: Wir gründen eine Justiz-Kita.

Wenig überraschend ist, dass Frauen bei dem Projekt eine tragende Rolle spielen. Angestoßen wurde es vom Karlsruher Oberlandesgericht (an der Spitze: Christine Hügel), bei der Standortsuche engagiert sich Bettina Limperg, die erste Präsidentin des BGH, und die Anschubfinanzierung von 200 000 Euro hat die SPD-Landtagsabgeordnete Anneke Graner besorgt, gemeinsam mit ihrem Kollegen Johannes Stober.

Nun ist die Idee, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf voranzubringen, auch in der Justiz nicht ganz neu, zumal in Baden-Württemberg. Die erste Justiz-Kita des Landes wurde 2010 in Tübingen eröffnet, Stuttgart, Freiburg und Heilbronn bieten ebenfalls Betreuungsplätze. Auch in Hamburg gibt es einen Justizkindergarten, in Aachen und Essen laufen entsprechende Pilotprojekte. Lustige Namen bleiben da nicht aus. Die Mannheimer "Justizzwerge" residieren in den Räumen des Familiengerichts, im Kölner Oberlandesgericht betreibt ein freier Träger die "Minijustiz", im Wiesbadener Justizzentrum werden demnächst 90 Krippenplätze geschaffen - der "Flying Carpet for Kids".

Soll der Richterberuf damit attraktiver für Frauen werden, die sich gemeinhin sehr viel mehr um die Vereinbarkeit von Familie sorgen als ihre Kollegen? Die Frage ist, jedenfalls auf den ersten Blick, falsch gestellt: Justitia ist so weiblich wie nie, der Frauenanteil steigt stetig und liegt derzeit bei 40 Prozent, bei den Berufsanfängern gar bei 60 Prozent. Die Arbeitszeiten sind flexibel, Akten kann man auch zu Hause studieren - und das Deputat lässt sich normalerweise leicht auf 50, 66 oder 80 Prozent reduzieren.

Quote also übererfüllt? Nicht ganz, denn auch in der Justiz gilt das Pyramidenprinzip - oben wird es eng: Während bei den Amtsgerichten (Stand 2012) 45 Prozent Frauen richten, sind es bei den Oberlandesgerichten nur noch 31 Prozent. Bei den Vorsitzendenstellen im BGH steht es 13 zu vier für die Männer, bei den OLG-Präsidenten 17 zu sieben.

Das Geheimnis der Pyramide liegt im Beförderungswesen - und da erweist sich die Familienfreundlichkeit der Justiz als Nachteil. Befördert wird häufig, wer präsent ist, sich im Gericht engagiert, Sonderaufgaben übernimmt. Wer dagegen auf Teilzeit geht und seine Urteile im Home Office tippt, wird leicht vergessen.

Die Justiz-Kita könnte da helfen, im Gerichtsalltag, aber auch beim allgemeinen Bewusstseinswandel. Der BGH hat hier noch ein zweites Zeichen gesetzt, eine Premiere in der Geschichte des Gerichts: Dort wird demnächst eine Richterin - eine Mutter von zwei Kindern - in Teilzeit arbeiten.

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