Fall Skripal:London: Moskaus Vorschlag ist pervers

Russland schlägt eine gemeinsame Untersuchung vor, die britische Regierung lehnt das kategorisch ab.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Im Streit über den Giftanschlag auf den früheren Doppelagenten Sergej Skripal überziehen sich Russland und Großbritannien mit gegenseitigen Vorwürfen. Die britische Seite wies die Moskauer Forderung nach einer gemeinsamen Untersuchung als "pervers" zurück, Russland nannte die britischen Vorwürfe "Schwachsinn" und forderte eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates. Das Gremium solle sich am Donnerstag mit den britischen Vorwürfen befassen, sagte der russische UN-Botschafter Wassilij Nebensja in New York. Kuwaits UN-Botschafter bestätigte später, dass eine Sitzung für 15 Uhr Ortszeit angesetzt sei. Keine Annäherung brachte am Mittwoch eine Sondersitzung des Exekutivrats der Organisation für ein Verbot chemischer Waffen (OPCW) in Den Haag. Eine Untersuchung mit russischer Beteiligung lehnt Großbritannien entschieden ab. "Nach der Chemiewaffen-Konvention ist das Opfer nicht verpflichtet, den wahrscheinlichen Täter an einer gemeinsamen Untersuchung zu beteiligen. Das wäre pervers", sagte der britische Delegationsleiter John Foggo. Es handele sich um ein Ablenkungsmanöver, um den Fragen auszuweichen, die Moskau beantworten müsse. Die Ermittlungen Großbritanniens und der Experten der OPCW seien nicht transparent, sagte Russlands Vertreter Alexander Schulgin. Der Vorschlag zu einer unabhängigen Untersuchung sei gemeinsam mit China und dem Iran bei der Sitzung der OPCW eingebracht aber mehrheitlich abgelehnt worden. OPCW-Experten sind von Großbritannien Proben der Substanz zur Verfügung gestellt worden, mit der Skripal und seine Tochter vergiftet wurden. Dabei handelt es sich laut dem britischen Bio- und Chemiewaffenlabor in Porton Down um ein Nervengift aus der in der Sowjetunion entwickelten Nowitschok-Gruppe. Die Herkunft der Substanz konnten die Wissenschaftler allerdings nicht bestimmen.

Durch diese Klarstellung des Leiters des Labors, Gary Aitkenhead, sieht sich Russland darin bestätigt, zu Unrecht bezichtigt zu werden. Kremlsprecher Dmitrij Peskow nannte die britischen Vorwürfe einen "Schwachsinn", der enden müsse. "Wir wollen, dass der gesunde Menschenverstand am Ende triumphiert", sagte der russische Präsident Wladimir Putin am Mittwoch in Ankara. Der Konflikt müsse "basierend auf den grundlegenden Normen internationalen Rechts" beigelegt werden. London betonte hingegen, es sei nie Aufgabe des Labors gewesen, die Herkunft des Gifts festzustellen. Entscheidend sei die Bestimmung des Stoffes, die zudem nur Teil eines größeren "geheimdienstlichen Bildes" sei.

Aus Sicht der EU hat sich durch die Klarstellung des britischen Labors nichts geändert. "Unser Verständnis ist, dass es die Aufgabe der Experten war, den Typ des Mittels zu bestimmen und nicht seine Quelle. Das haben die Experten getan", sagte ein Sprecher der EU-Kommission. Beim EU-Gipfel im März hatten sich die Staats- und Regierungschefs der britischen Einschätzung angeschlossen, wonach Moskau "sehr wahrscheinlich" verantwortlich sei für den Anschlag auf Skripal.

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