Fall Sami A.:"Absolut peinliches Chaos"

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Die Grünen kritisieren die Behörden im Fall des abgeschobenen Gefährders. Die Justizministerin mahnt: Gerichtsurteile müssen gelten.

Von Mike Szymanski, Christian Wernicke, München/Düsseldorf

Im Fall des aus Nordrhein-Westfalen abgeschobenen islamistischen Gefährders Sami A. haben Bundespolitiker vor einem Schaden für den Rechtsstaat gewarnt. Es falle einem "unmittelbar schwer", einen Gefährder wie Sami A. zu verteidigen. "Aber hier geht es um die Verteidigung des Rechtsstaates, dessen Prinzip Recht, nicht Ranküne ist. Im Rechtsstaat gelten geordnete Verfahren. Die Frage ist, warum die Innenbehörden mit dieser Ordnung gebrochen haben", sagte Grünen-Vorsitzender Robert Habeck der Süddeutschen Zeitung.

Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) betonte: "Was unabhängige Gerichte entscheiden, muss gelten." Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hatte die Abschiebung des als Leibwächter von Al-Qaida-Chef Osama bin Laden bekannt gewordenen Sami A. nach Tunesien am Freitag für "grob rechtswidrig" erklärt. Es verlangte, ihn "unverzüglich" nach Deutschland zurückzuholen. Der Fall A. fällt in eine Zeit, in der von vielen Politikern schnellere Abschiebungen gefordert werden.

Am Donnerstag hatte das Verwaltungsgericht entschieden, dass Sami A. weiterhin nicht abgeschoben werden dürfe, weil nicht auszuschließen sei, dass ihm in Tunesien Folter drohe. Diese Entscheidung ging jedoch erst am Freitagmorgen an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Zu diesem Zeitpunkt saß Sami A. schon, begleitet von Bundespolizisten, in einer Chartermaschine, die ihn nach Tunesien brachte. Die Politik fordert nun umgehend Aufklärung.

"Entweder handelt es sich um absolut peinliches Chaos oder es stinkt zum Himmel, weil die Innenbehörden ein Exempel statuieren wollten", sagte Habeck dazu. Der Grünen-Chef wies dabei nicht nur auf die Landesbehörden in NRW. "Vor allem ist zu klären, ob Innenminister Horst Seehofer in Person versucht hat, Recht zu beugen und die Gerichtsentscheidung umgehen zu lassen", sagte er. Habeck betonte, der Schaden, der jetzt entstanden sei, sei in jedem Fall wesentlich größer, als wenn man die Entscheidung abgewartet hätte. "Die Behörden stehen schwach und dumm da. Das ist in Zeiten, in denen das Vertrauen in die Institutionen schwindet, besonders schlecht."

NRW-Flüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP) wollte sich auch am Wochenende zu dem Fall nicht äußern. Das Ministerium und die Ausländerbehörde der Stadt Bochum wollen gegen das Abschiebeverbot noch in dieser Woche Beschwerde einlegen. Die tunesische Justiz will Sami A. jedoch vorerst nicht nach Deutschland zurückschicken. A. sei womöglich in "terroristische Aktivitäten" verwickelt.

Politisch brisant ist zudem, dass Stamp und Innenminister Seehofer sich seit Langem für Dienstag in Düsseldorf zu einem Gespräch über eine umfassende Modernisierung des Flüchtlings- und Einwanderungsrechts verabredet haben. Stamp dringt seit Monaten auf einen "Migrationsgipfel" von Bund, Ländern und Kommunen, um einvernehmlich eine umfassende Reform auf den Weg zu bringen

© SZ vom 16.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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