Fall Lisa:Vergewaltigungsvorwürfe: Berlin weist Moskaus Kritik zurück

  • Vertreter der Bundesregierung kritisieren die Einmischung Moskaus in den Fall Lisa F.
  • "Lügen haben kurze Beine", sagte ein Außenamtssprecher in Bezug auf die Berichterstattung russischer Medien. Regierungssprecher Seibert sagte, der Fall dürfe nicht instrumentalisiert werden.
  • Nach dem Verschwinden der 13-Jährigen hatte es zunächst geheißen, sie sei vergewaltigt worden. Die Berliner Polizei hatte dementiert.

Von Benedikt Peters

Die Bundesregierung hat Russland vorgeworfen, den Fall Lisa F. in ein falsches Licht zu rücken. Es verbiete sich, "diesen Vorfall politisch zu instrumentalisieren", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Am Dienstag hatte sich der russische Außenminister zu den Vergewaltigungsvorwürfen um das 13-jährige Mädchen aus Berlin-Marzahn geäußert. Es stammt aus einer russlanddeutschen Familie.

Das Mädchen war am 11. Januar für einen Tag verschwunden. Russische Medien berichteten daraufhin, das Mädchen sei von einem Mann arabischen Aussehens und zwei Komplizen entführt und vergewaltigt worden (hier eine Version aus dem russischen Staatsfernsehen, die die rechte Gruppe "Anonymous Kollektiv", auf Facebook verbreitete. Mit der gleichnamigen Hackergruppe hat das Kollektiv nichts zu tun).

Auf diese Berichte russischer Medien angesprochen sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts, langfristig gelte immernoch der Grundsatz "Lügen haben kurze Beine".

Ungereimtheiten in der russischen Berichterstattung

Die Berliner Polizei hatte nach den Berichten mitgeteilt, dass weder die Entführung noch die Vergewaltigung stattgefunden haben. Sie geht inzwischen von einvernehmlichem sexuellen Kontakt aus, was angesichts des Alters des Mädchens dennoch eine Straftat darstellt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen wegen sexuellen Missbrauchs gegen zwei Männer. Bei ihnen, so teilte sie mit, handle es sich nicht um Flüchtlinge. Auch die Aussagen des Anwalts des Mädchens stimmen damit überein.

Der russischen Außenminister Lawrow hatte ungeachtet dessen einen Bezug zur deutschen Flüchtlingspolitik hergestellt. "Ich hoffe, dass diese Migrationsprobleme nicht zum Versuch führen, die Wirklichkeit aus irgendwelchen innenpolitischen Gründen politisch korrekt zu übermalen", sagte er.

In der Berichterstattung der russischen TV-Sender tauchten Ungereimtheiten auf. So verwendete der "Perwij Kanal" in einem Beitrag zu den Vergewaltigungsvorwürfen und den angeblichen Tätern Bildmaterial, mit dem belegt werden sollte, dass solche Taten zur Zeit in Deutschland keine Einzelfälle seien. Es zeigt einen dunkelhaarigen Mann, der in gebrochenem Deutsch mit vermeintlich leicht schwäbischem Einschlag mit einer Gruppenvergewaltigung prahlt. Was der Sender verschweigt: Das Video des Mannes wurde schon 2009 bei Youtube hochgeladen.

Kritik am Kommunikationsverhalten der Berliner Polizei

Am vergangenen Wochenende hatten die russischen Medienberichte und ihre Verbreitung in den sozialen Netzwerken eine Protestwelle von Russlanddeutschen ausgelöst. In Berlin und zahlreichen süddeutschen Städten demonstrierten insgesamt mehrere tausend Menschen.

Neben Russlanddeutschen und Russischstämmigen waren Rechtsextreme und Pegidisten unter den Demonstranten. Im baden-württembergischen Ellwangen zog ein Tross von mindestens 500 Menschen vor eine Flüchtlingsunterkunft und skandierte Parolen.

Verbände, wie etwa die "Landsmannschaft der Deutschen aus Russland" und der "Jugend- und Studentenring der Deutschen aus Russland" distanzierten sich von den Demonstrationen.

Alexander Reiser, der Geschäftsführer eines Berliner Vereins, der sich für die Integration russischstämmiger Personen einsetzt, kritisierte aber auch das Kommunikationsverhalten der Berliner Polizei. Es habe nahegelegt, dass nach der Feststellung, Lisa F. sei nicht vergewaltigt worden, das Verfahren gestoppt werde. Tatsächlich hatte die Polizei zunächst nicht mitgeteilt, dass die Ermittlungen weitergingen. Dies habe den Ausbruch der Proteste am vergangen Wochenende mit verursacht.

Mit Material von dpa

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