Fall Kurras: Neue Details:"Ich komme wegen der Schießabteilung"

Er sammelte Daten von DDR-Flüchtlingen und installierte Abhörmikrofone in Dienstzimmern: Über die Stasi-Tätigkeit von Karl-Heinz Kurras werden immer neue Details bekannt.

In der Affäre Karl-Heinz Kurras werden täglich neue Details bekannt. Der pensionierte Polizist, der 1967 den Studenten Benno Ohnesorg erschoss, belieferte die Stasi jahrelang mit Interna der Westberliner Polizei. Ohnesorgs Tod führte zu einer Radikalisierung der Studentenbewegun in Westdeutschland.

Fall Kurras: Neue Details: Der SED-Mitgliedsausweis von Karl Heinz Kurras, dem Mann, der Benno Ohnesorg erschoss

Der SED-Mitgliedsausweis von Karl Heinz Kurras, dem Mann, der Benno Ohnesorg erschoss

(Foto: Foto: AP)

Den Akten des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) zufolge sammelte Kurras alias IM "Otto Bohl" jahrelang Interna über Mitarbeiter, Personalveränderungen und die Arbeitsweise verschiedener Dienststellen der Westberliner Polizei.

Einem Bericht des Spiegels zufolge besorgte er außerdem Personendaten von DDR-Flüchtlingen, verriet geplante Durchsuchungen bei Spionage-Verdächtigen und informierte das MfS über Fluchthelfer, mögliche Fluchttunnel und unterirdische Schießanlagen der Alliierten.

Von Seiten der Berliner Polizei wurde Kurras ironischerweise gleichzeitig darauf angesetzt, Spitzel der DDR zu entlarven: 1965 wurde er laut Spiegel in eine Sonderermittlungsgruppe des Westberliner Staatsschutzes aufgenommen, die Verräter in den eigenen Reihen suchten.

Die Stasi stattete Kurras demnach mit Abhörmikrofonen aus, die er im Dienstzimmer des Leiters der Berliner Kriminalinspektion Tiergarten installieren sollte. Auch sollen sich in den Akten Protokolle von Kurztreffen finden, bei denen Kurras Büchsen mit Minox-Filmen oder Nachschlüssel für Panzerschränke und Diensträume der Polizei übergab. Die Losung für Kontaktaufnahmen mit seinem Agenten lautete dem Nachrichtenmagazin zufolge: "Guten Tag, Herr Kurras, ich komme wegen der Schießabteilung."

Berichten zufolge hielt Kurras den Kontakt zum MfS über eine Kurierin, mit der er sich im Schleusen-Café im Tiergarten traf. Kurz vor dem Bau der Mauer 1961 wurde demnach vereinbart, dass Kurras jeweils sonntags gegen 15.30 Uhr und später samstags um zwölf Uhr per Funk Informationen liefern und Aufträge entgegennehmen solle.

Die Agenten in der DDR waren offensichtlich mit Kurras' Diensten zufrieden. In der Akte heißt es: "Die gestellten Aufgaben werden von ihm gewissenhaft erfüllt. Bei der Erfüllung seiner Aufgaben zeigt der K. Mut und entwickelt die notwendige Initiative ... er (steht) treu zur Deutschen Demokratischen Republik."

Doch ein Feld der Stasi-Arbeit gab es, auf dem Kurras offenbar nicht die gewünschten Ergebnisse lieferte: Er sollte offenbar auch für so genannte Romeo-Aufträge gewonnen werden, bei denen DDR-Agenten über alleinstehende westdeutsche Frauen in Schlüsselpositionen Informationen beschaffen mussten. So wurde er auf die Mitarbeiterin eines Abteilungsleiters der Polizei angesetzt. Nach einem gescheiterten Annäherungsversuch habe sich der Agent jedoch erbeten, derartige Aufträge nur "bei absoluter Notwendigkeit" erteilt zu bekommen.

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