Fall Khashoggi:"Plattform für arabische Stimmen"

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In seiner wohl letzten Kolumne forderte der verschwundene Journalist Jamal Khashoggi ein unabhängiges Forum der Meinungsbildung für die arabische Welt - ein Grund für seine Beseitigung?

Von Paul-Anton Krüger, München

Es sind Worte, die wie eine dunkle Prophezeiung klingen. Jamal Khashoggi schrieb über das Schicksal seines Freundes Saleh al-Shehi, der wegen unbotmäßiger Kommentare fünf Jahre Haft in Saudi-Arabien verbüßen muss. Und er schrieb über Ägyptens Regierung, die eine ganze Auflage der Zeitung Masry al-Youm beschlagnahmen ließ. Weil es keinen internationalen Aufschrei gegeben habe und schon gar keine ernsthaften Konsequenzen "haben arabische Regierungen freie Hand bekommen, weiter immer mehr Medien mundtot zu machen". Die Washington Post veröffentlichte am Mittwoch diese, so steht zu befürchten, letzte Kolumne des saudischen Journalisten.

Er ist verschwunden, seit er am 2. Oktober das Generalkonsulat seines Heimatlandes in Istanbul betreten hat. Er ist, so sagen die türkischen Behörden, von einem eigens angereisten Killerkommando ermordet worden - angeblich auf Geheiß des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman. Einen internationalen Aufschrei deswegen gibt es. Der britische Handelsminister Liam Fox, Frankreichs Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire, der Wirtschaftsminister der Niederlande, Wopke Hoekstra, und selbst US-Finanzminister Steven Mnuchin sagten ihre Teilnahme an einer Wirtschaftskonferenz kommende Woche in Riad ab; Siemens Chef Joe Kaeser hielt sich diese dagegen weiter offen.

Warum der Journalist beseitigt werden sollte, beantwortet vielleicht seine Kolumne

Ob allerdings Khashoggis Schicksal jemals aufgeklärt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden, ist offen. Amnesty International, Human Rights Watch, das Komitee zum Schutz von Journalisten und Reporter ohne Grenzen fordern deswegen eine unabhängige Untersuchung durch die Vereinten Nationen.

Warum Khashoggi beseitigt werden sollte, beantwortet vielleicht seine Kolumne: Die arabische Welt sehe sich "ihrer eigenen Version eines Eisernen Vorhangs gegenüber", schrieb er, den ihre "innere Kräfte auferlegen, die nach Macht streben". Notwendig sei eine moderne panarabische Version der International Herald Tribune, damit Araber sich über weltweite Ereignisse informieren könnten - eine "Plattform für arabische Stimmen". Er träumte von einem "unabhängigen internationalen Forum", das sich abgrenzt vom Einfluss "nationalistischer Regierungen, die mit Propaganda Hass verbreiten". Er wollte Araber in die Lage versetzen, sich differenziert und objektiv über die Vorgänge in der Region und im Rest der Welt zu informieren - sie in die Lage versetzen, sich an der Gestaltung der politischen Verhältnisse beteiligen zu können.

© SZ vom 19.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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