Fall Edathy:Seehofer wirft SPD "Geschwätzigkeit" vor

Auch nach dem Rücktritt von Landwirtschaftsminister Friedrich bleiben viele Fragen offen. Was bedeutet der Fall Edathy für die große Koalition? Wer hat wem was verraten? Und wer übernimmt den freien Ministerposten? Die SPD-Führung bemüht sich, die Wogen zu glätten. Die CSU denkt gar nicht daran.

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Der Fall um SPD-Politiker Sebastian Edathy hat sich zur ersten Krise der großen Koalition entwickelt. Auch nach dem Rücktritt von Landwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich (CSU) bleiben viele Fragen offen. Diesem wird vorgeworfen, als damaliger Bundesinnenminister Dienstgeheimnisse verraten zu haben, als er die SPD-Spitze über die Ermittlungen gegen Edathy informierte. Die SPD-Führung unter Parteichef Sigmar Gabriel will keine personellen Konsequenzen ziehen. Das stößt auf Missmut - nicht nur bei der Opposition. Die Union muss nun Ersatz für Friedrich finden. Am Vormittag kommt die CSU zu einem kleinen Parteitag zusammen. Alle Entwicklungen im ständig aktualisierten Newsblog.

  • CSU-Parteitag in Bamberg: Einen Tag nach dem Rücktritt ihres Bundesagrarministers Hans-Peter Friedrich ist die CSU am Vormittag zu einem kleinen Parteitag in Bamberg zusammengekommen. Eigentlich sollte es dort um Kommunalpolitik gehen - am 16. März finden in Bayern Kommunalwahlen statt. Nun dürfte das Treffen aber von der Frage beherrscht werden, wer Friedrich als Minister nachfolgen wird. Nach SZ-Informationen haben die Drogenbeauftragte Marlene Mortler, Staatssekretär Christian Schmidt und Entwicklungsminister Gerd Müller die besten Aussichten. Auch Verkehrsstaatssekretärin Dorothee Bär wird als mögliche Ministerin gehandelt. CSU-Chef Seehofer will die Nachfolge am Montag bekanntgeben. "Wir werden das übers Wochenende klären", sagt er.
  • Spannungen zwischen Union und SPD: Seehofer hat dem Koalitionspartner SPD "Geschwätzigkeit" vorgeworfen. Diese sei unerklärlich und "schärfstens zurückzuweisen", sagte er beim Parteitag in Bamberg. Er bezog sich dabei auf die Äußerungen von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann zur Edathy-Affäre, die am Freitag zum Rücktritt Friedrich geführt hatten. Seehofer forderte die SPD zugleich auf, die nach seiner Auffassung bestehenden Widersprüche in dem Zusammenhang zeitnah aufzuklären. "Ich fordere die SPD auf, an diesem Wochenende ihr Verhalten, ihre Widersprüche aufzuklären", sagte Seehofer. Er bekam dafür von den Delegierten laute "Bravo"-Rufe und langen Applaus. CSU-Politiker Hans-Peter Uhl fordert eine eidesstattliche Erklärung der beteiligten SPD-Politiker zu der Frage, mit wem sie über den Fall Edathy gesprochen haben. "Es kann ja wohl nicht wahr sein, dass ein SPD-Abgeordneter mutmaßlich kinderpornografische Schriften kauft und die einzige Konsequenz darin besteht, dass ein CSU-Minister zurücktritt", sagte Uhl dem Nachrichtenmagazin Focus.
  • SPD-Chef Gabriel schließt personelle Konsequenzen aus: Weder er selbst, noch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier oder Fraktionschef Thomas Oppermann hätten Informationen über Ermittlungen gegen Edathy an diesen weitergegeben, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel der Bild-Zeitung. Darin sei er sich "absolut sicher". Er schließe personelle Konsequenzen in seiner Partei daher aus.
  • Reaktionen der Opposition: Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner nannte Friedrichs Rücktritt ein "Bauernopfer". "Es darf keinesfalls der Eindruck entstehen, Politiker hätten in unserer Rechtsordnung Privilegien. Wir erwarten deshalb nun vorbehaltlose Aufklärungsbereitschaft der SPD." Die Linke fordert, die Rolle von Thomas Oppermann und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel zu prüfen: "Es muss die Frage gestellt werden, ob diese Spitzenpolitiker geeignet sind, ihre Ämter auszuführen", sagte Linke-Chef Bernd Riexinger. Er schloss auch die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses nicht aus. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, sagte: "Der Fall Edathy wird zur Affäre große Koalition. Die ist mit dem Rücktritt nicht beendet, sondern fängt erst an."
  • Rücktritt von Agrarminister Friedrich: Bundesagrarminister Hans-Peter Friedrich ist am Freitagnachmittag von seinem Amt zurückgetreten. Damit reagiert er auf einen möglichen Geheimnisverrat im Fall Edathy. Als Bundesinnenminister hatte Friedrich im Oktober SPD-Chef Gabriel darüber informiert, dass Edathys Name bei internationalen Ermittlungen aufgetaucht sei. Mittlerweile ist bekannt, dass es um Vorwürfe im Grenzbereich zum Erwerb von Kinderpornografie geht. In Berlin sagt Friedrich er sei zwar nach wie vor der Überzeugung, dass er sowohl politisch als auch rechtlich richtig gehandelt habe. Der Druck auf ihn sei allerdings in den vergangenen Stunden zu groß geworden. "Auf Wiedersehen, ich komme wieder", sagt Friedrich am Ende seiner kurzen Ansprache.
  • Druck von Merkel: Der Rücktritt kam nach Informationen der Süddeutschen Zeitung auf Drängen der Kanzlerin zustande. Merkel hatte sich am Freitagvormittag in einem Telefongespräch mit Friedrich noch bereit erklärt, ihn vorläufig im Amt zu halten. Für den Fall, dass die Staatsanwaltschaft gegen Friedrich Ermittlungen aufnehme, sollte er aber zurücktreten. Am Nachmittag meldete sich die Kanzlerin dann aber erneut bei Friedrich. Sie soll gesagt haben, dass sie angesichts der öffentlichen Kritik einen Verbleib im Amt nicht mehr für möglich halte.

Linktipps: Wann gab es welche Ermittlungsschritte gegen Edathy und wer wurde darüber informiert? Die Aufarbeitung des Falls von Hans Leyendecker und Tanjev Schultz // Was bedeutet die Affäre politisch? Wie geht es in der großen Koalition weiter? Ein Kommentar von Robert Roßmann

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