Fahrdienste:Freie Fahrt für freie Taxler

Taxi Drivers Protest New Internet Services

„Neue Mietwagenunternehmen würden die etablierten Taxibetreiber plattmachen“: Protestkundgebung von Taxifahrern in Berlin gegen die Konkurrenz durch Fahrdienste.

(Foto: Sean Gallup/Getty Images)

Alte Vorschriften wie das Verbot, unterwegs Fahrgäste einzusammeln, sollen fallen. Das käme vielen entgegen. Doch nicht alle Argumente für die Liberalisierung des Gewerbes sind so stichhaltig.

Von Jan Willmroth

Uber und Europa, das war von Beginn an eine leidvolle Beziehung. So jung sie ist, erst wenige Jahre alt, so reich ist sie schon an Geschichten über Proteste, so viele Seiten an Gerichtsakten sind durch sie schon entstanden, bis hinauf zum Europäischen Gerichtshof. Während etwa in Frankreich die Wut der Taxifahrer auf den Fahrdienstservice aus Kalifornien wiederholt in Gewalt umschlug, Autos brannten und Uber-Fahrer attackiert wurden, scheiterte das Unternehmen in Deutschland an Gerichten, nachdem es erst mehrere Urteile dreist ignoriert hatte. Übrig blieben hierzulande beschnittene Angebote in Berlin und München, die den deutschen Regeln genügten - und ein selbst verschuldeter schlechter Ruf.

Und es blieben die Forderungen Ubers und anderer Mobilitätsdienste, diese Regeln doch bitte endlich zu reformieren, auf dass sie besser den Anforderungen einer digitalen Gesellschaft entsprächen. Das will Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) jetzt angehen, er hat Eckpunkte vorgelegt für eine Reform des Personenbeförderungsgesetzes. Das Gesetz von 1961, zuletzt überarbeitet im Jahr 2013 mit der Liberalisierung des Fernbusmarkts, regelt den Personentransport mit Straßenbahnen, Bussen und Autos in Deutschland, insbesondere also den öffentlichen Nahverkehr, als Teil dessen das Taxigewerbe klaren Vorschriften unterliegt - und vor Konkurrenz geschützt wird.

Mit Fahrdiensten wie Uber, neuen Angeboten großer Autohersteller wie der VW-Tochter Moia und einer Reihe weiterer Ideen, die das Taxi ergänzen oder ersetzen könnten, wurde der Reformbedarf in den vergangenen Jahren offensichtlich: Die Regeln passen zumindest teilweise nicht mehr zu einem Alltag, den die Bürger per Smartphone organisieren. "Neue plattformbasierte digitale Mobilitätsangebote brauchen eine rechtssichere Grundlage für ihre Zulassung", heißt es im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD.

Scheuers Eckpunkte beziehen sich vor allem auf zwei Regeln, die bislang das Taxigewerbe vom Wettbewerb abschirmen. Neben Taxis erlaubt das Gesetz sogenannte Mietwagen mit Fahrer, die zumeist billiger sind. Sie müssen - eigentlich - nach jeder Fahrt an ihren Stützpunkt zurückkehren und dürfen nicht im fließenden Verkehr oder gar an Taxiständen auf neue Fahrgäste warten. Diese sogenannte Rückkehrpflicht soll künftig wegfallen. Es erscheine aber "sinnvoll, bestimmte Bereiche für den Taximarkt zu reservieren", heißt es in dem Scheuer-Papier. Sprich: Der Taxistand bliebe Hoheitsgebiet der Taxler.

Die Verhandlungen über die Neufassung des Gesetzes dürften sich hinziehen

Als zweite Regel soll das Poolingverbot wegfallen. Es besagt, dass Taxis und Mietwagen unterwegs keine zusätzlichen Fahrgäste aufnehmen dürfen; jede Fahrt ist individuell. Nur in wenigen Fällen - etwa in Berlin bei der Bahn-Tochter Clever Shuttle und dem Shuttledienst Berlkönig der Berliner Verkehrsbetriebe - haben Kommunen Ausnahmen genehmigt. Laut Eckpunktepapier soll die Möglichkeit, unterwegs Fahrgäste mit ähnlichem Start und Ziel einzusammeln, gerade auch Angebote im ländlichen Raum attraktiver machen. Noch sind App-gesteuerte Fahrdienste vor allem ein Thema in Ballungsräumen.

Bis das Eckpunktepapier zu einem Gesetzentwurf wird, muss das Verkehrsministerium mit empfindlichen Interessengruppen verhandeln. Kaum hatte die Deutsche Presse-Agentur Scheuers Reformpläne verbreitet, schlug die Taxilobby Alarm. Thomas Grätz, Geschäftsführer des Deutschen Taxi- und Mietwagenverbands, bezeichnet die Pläne als "Katastrophe". Sollte die Rückkehrpflicht für Mietwagen wirklich entfallen, sehen das die Taxifirmen als Existenzbedrohung. Eine Reform des Personenbeförderungsgesetzes müsste außerdem durch den Bundesrat. Auch die Kommunen, die unabhängig die Zahl der Taxilizenzen und die Fahrpreise festlegen, werden mitzureden haben. Ihnen will Scheuer die Möglichkeit lassen, den Mietwagenverkehr einzuschränken.

Weniger beunruhigt zeigte man sich bei der Daimler-Tocher Mytaxi, die den Markt für Taxivermittlung per App beherrscht. Deren Deutschlandchef Alexander Mönch sprach in einem Interview von der Vision, dass es in fünf bis zehn Jahren "einen bunten Strauß an Mobilitätsleistungen" geben werde, die alternativ zum eigenen Fahrzeug nutzbar seien. "Wir haben die Chance, unsere Innenstädte spürbar vom Verkehr zu befreien", sagte Mönch.

Die Autos wurden nicht weniger, sondern mehr

Diese Logik hat auch Uber von Beginn an zu verkaufen versucht: Wenn Mobilitätsangebote nur attraktiv genug seien, verzichteten mehr und mehr Menschen auf das eigene Fahrzeug; die Straßen in den Innenstädten würden entlastet. Empirisch ist das bislang kaum zu belegen. Carsharing-Dienste wie die kürzlich fusionierten Angebote Car2Go und Drive Now von Daimler und BMW haben die Zahl der Autos in den Städten zwischenzeitlich jedenfalls erhöht. Und Studien in den USA zeigen, dass die Verbreitung von Fahrdiensten wie Uber und Lyft die Verkehrslast tendenziell ebenfalls erhöht hat: Es steigen eben nicht nur Autofahrer um, sondern vor allem auch Menschen, die Uber als Alternative zu S- und U-Bahnen oder dem Rad nutzen. Mytaxi-Manager Mönch kritisiert deshalb auch die geplante Abschaffung der Rückkehrpflicht für Mietwagen; sie führe zu mehr Autos in den Städten und verzerre den Wettbewerb mit dem Taxigewerbe.

Wie weit die Liberalisierung des Marktes am Ende geht, soll in den kommenden Monaten verhandelt werden. In Berlin wird das Papier als erste Ideensammlung gewertet, eine Gesetzesnovelle aber als gleichbedeutend mit der 2013 verabschiedeten Öffnung des Fernbusmarkts und entsprechend dringend gewertet. Sollte die Rückkehrpflicht fallen, bekäme die milliardenschwere Mobilitätsfirma Uber, die noch in diesem Jahr an die Börse gehen könnte, ihren wichtigsten Wunsch erfüllt. Ein kurzer Blick auf deren Apps genügt, um zu sehen: Uber und seine Pendants scheinen die Rückkehrpflicht ohnehin nur noch als Empfehlung zu interpretieren.

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