Süddeutsche Zeitung

Nach Razzia bei "Reichsbürgern":Faeser will Waffenrecht verschärfen

Der Schritt sei notwendig, um sogenannten Reichsbürgern ihre Waffengenehmigungen zu entziehen. Deren Anzahl stieg zuletzt auf 23 000 - laut Verfassungsschutz 2000 mehr als im Vorjahr.

Bundesinnenministerin Faeser warnt vor einer wachsenden Gefahr durch die "Reichsbürger"-Szene. "Wir haben es nicht mit harmlosen Spinnern zu tun, sondern mit Terrorverdächtigen, die jetzt allesamt in U-Haft sitzen", sagte die SPD-Politikerin der Zeitung Bild am Sonntag im Hinblick auf die bundesweiten Razzien der vergangenen Woche. Die Bundesanwaltschaft hatte in einer der größten Polizeiaktionen in der Geschichte der Bundesrepublik 25 Menschen festnehmen lassen. 22 von ihnen wirft sie vor, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, die das politische System in Deutschland stürzen wollte.

Die Zahl derjenigen, die das Bundesamt für Verfassungsschutz dem "Reichsbürger"-Milieu zuordne, sei im Vergleich zum Vorjahr um 2000 auf 23 000 Personen gestiegen, sagt die SPD-Politikerin. Das ist ein Anstieg um rund 9,5 Prozent. Etwa zehn Prozent der "Reichsbürger" gelten laut Verfassungsschützern als gewaltbereit. 239 Gewalttaten von Reichsbürgern seien im letzten Jahr registriert worden. Mehr als 1000 "Reichsbürgern" seien ihre Waffengenehmigungen schon entzogen worden. Dafür, so Faeser laut Vorabbericht, würde der maximale Druck aller Behörden gebraucht, die Regierung werde deshalb das Waffenrecht in Kürze weiter verschärfen.

Ampel-Politiker sorgen sich dem Vorabbericht zufolge angesichts der festgenommenen ehemaligen AfD-Abgeordneten Birgit Malsack-Winkemann, die immer noch im Besitz eines Bundestagsausweises war, um die Sicherheit des Parlaments und fordern, das Sicherheitskonzept des Bundestages zu überdenken. Die Unionsfraktion verlangt eine Aktuelle Stunde zur Terrorgefahr. Der Bundestag beschäftigt sich in der kommenden Woche gleich in mehreren Sondersitzungen mit der Großrazzia und den möglichen Konsequenzen.

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) warnt in der Bild am Sonntag vor einer zunehmenden Radikalisierung der AfD. Er hält die Partei in weiten Teilen für rechtsextremistisch und fordert eine sorgfältige Beobachtung. "Reichsbürger ist nicht automatisch AfD und umgekehrt. Aber es gibt große Schnittmengen, von der Ablehnung unseres Staates über die prorussische Haltung bis zur Amerika-Feindlichkeit", sagt Pistorius. "Die AfD schafft es immer wieder, aus solchen Bewegungen Treibstoff für die eigene Politik zu generieren." Zwar sei der Zeitpunkt für ein Verbotsverfahren gegen die Partei noch nicht gekommen, den gelte es aber auch nicht zu verpassen.

"Reichsbürger" sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Dass die Szene in den vergangenen zwei Jahren gewachsen ist, führen die Sicherheitsbehörden auf die Corona-Protestbewegung zurück. Auch diese ist geprägt von Verschwörungstheorien und einer grundsätzlichen Ablehnung von Staat und Demokratie.

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