Um Staaten an der EU-Außengrenze zu entlasten und den Stillstand in der europäischen Asylpolitik zu beenden, will Deutschland zusammen mit Frankreich das europäische Asylsystem grundlegend reformieren. Denkbar sei eine "Koalition der aufnahmebereiten Mitgliedsländer", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Freitag in Berlin. Kerneuropa könne bei der Aufnahme Geflüchteter vorangehen, damit weitere Staaten dem guten Beispiel später folgen. Dies sei "eine Chance, Verhärtungen aufzubrechen und zu Kompromissen zu kommen", so Faeser.
Anlass der Äußerung war der Besuch von EU-Innenkommissarin Ylva Johansson in Berlin. Diese setzt sich seit Langem, wenn auch wenig erfolgreich, für eine humanitäre und effiziente Neuordnung des europäischen Asylsystems ein. "Migration kann bewältigt werden, aber nur, wenn wir zusammenarbeiten in der Europäischen Union und mit unseren außereuropäischen Partnern", sagte Johansson. Sie freue sich auf eine enge Zusammenarbeit mit der deutschen Innenministerin.
Mithilfe Frankreichs soll ein neuer Anlauf versucht werden
Faeser und Johansson, die einen neuen Geist in der Migrationspolitik betonten, wollen die französische EU-Ratspräsidentschaft für einen neuen Anlauf in der europäischen Asylpolitik nutzen. Sie ist de facto zum Erliegen gekommen, auch wegen der Weigerung etlicher EU-Staaten, von den EU-Außengrenzen Flüchtlinge aufzunehmen oder einem Schlüssel zur Verteilung von Migranten zuzustimmen. Diese Blockade will die Bundesregierung aufbrechen. "Wir wollen nicht, dass die Weiterentwicklung eines gemeinsamen Asylsystems daran scheitert, dass vielleicht der eine oder andere Staat sagt, diese Dinge können wir uns nicht vorstellen", sagte Faeser. Zusammen mit Frankreich wolle Deutschland "trotzdem vorankommen". Sie hoffe auf die Solidarität weiterer Staaten.
Faeser kündigte zudem Unterstützung für die Initiative von EU-Kommissarin Johansson zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch an. Jedes Jahr würden über eine Million Fälle sexueller Gewalt gegen Minderjährige entdeckt, und mehr als vier Millionen missbräuchlicher Bilder und Videos seien im Umlauf, sagte Johansson. "90 Prozent kommen von Facebook." Die Reproduktion der Bilder setze den Missbrauch fort. Um Kinder vor sexueller Gewalt zu schützen und die Täter und ihre Netzwerke zu verfolgen, müssten alle in der EU zur Verfügung stehenden Instrumente genutzt werden, sagte Faeser.