Süddeutsche Zeitung

Innenministerkonferenz:Faeser kündigt "maximalen Ermittlungsdruck" gegen sexualisierte Gewalt an

"Bund und Länder müssen da ihre Bemühungen verstärken": Auf der Innenministerkonferenz geht es um Katastrophenschutz, Internetkriminalität und Kinderpornografie.

Von Constanze von Bullion, Würzburg

Kontroversen über neue Gelder für Katastrophenschutz, verschärfter Kampf gegen Kinderpornografie und Proteste gegen den Stillstand in der Asylpolitik - bei ihrem Besuch der Innenministerkonferenz in Würzburg ist Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Freitag nicht nur mit Lob empfangen worden. Dabei zeigte sich die Sozialdemokratin durchaus zufrieden: "Das ist ein echter Meilenstein", sagte Faeser nach dem Treffen. Sie kündigte "maximalen Ermittlungsdruck" gegen sexualisierte Gewalt an und verstärkte Investitionen in den Katastrophenschutz. "Bund und Länder müssen da ihre Bemühungen verstärken."

Knapp drei Tage lang haben sich die Innenminister der Länder mit Faeser über Sicherheitsthemen und Kriminalitätsbekämpfung auseinandergesetzt. Im Mittelpunkt: akutes Krisenmanagement. Gemeint waren da nicht nur die Pandemie und der Krieg in der Ukraine, der mehr als 700 000 Geflüchtete nach Deutschland getrieben hat. Auch die Hochwasserkatastrophen des vergangenen Jahres und die Erkenntnis, dass föderales Zuständigkeitswirrwarr die Schäden vergrößert hat, kamen auf den Tisch. Offen blieb dabei bis zuletzt die Frage, was der Bund künftig zum Katastrophenschutz finanziell beitragen kann und will.

Behördenchaos bei Flutkatastrophen - das soll anders werden

Angeführt von Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) und Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatten die Länder vom Bund für die nächsten zehn Jahre zehn Milliarden Euro für Bevölkerungs- und Zivilschutz gefordert. "Das ist das, was vom Bund erwartet wird", sagte Pistorius. Bundesinnenministerin Faeser bremste zunächst etwas. In Würzburg stimmte sie dann zu, die Forderung zu prüfen. "Wir sind der Meinung, dass Bund und Länder das gemeinsam stemmen müssen", sagte sie. Über Haushaltsmittel des Bundes entscheide am Ende ohnehin der Bundestag.

Doch auch die Zuständigkeiten sind zu sortieren. Bisher ist der Bund vor allem für den Zivilschutz zuständig, also für kriegsbedingte Katastrophenlagen, die Länder hingegen für Unglücke in Friedenszeiten. Bei schweren Flutkatastrophen aber kam es zuletzt immer wieder zu Organisationschaos in Kommunen, auch in der Politik gab es Kompetenzgerangel - und nicht selten technische Ratlosigkeit. Ein nationaler Sirenenwarntag etwa erwies sich 2020 als Flop, nun soll ein flächendeckendes Sirenensystem eingeführt werden, zu dem auch persönliche Warnungen auf Mobiltelefonen gehören.

Überhaupt will der Bund stärker koordinieren, die Länder wollen im Gegenzug aber auch finanziell entlastet werden. In Bonn wird ein gemeinsames Kompetenzzentrum von Bund und Ländern entstehen, das im Katastrophenfall Informationen bündeln und Einsätze koordinieren soll. Dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) stehen im Haushaltsjahr 2022 ein Etat von 285,9 Millionen Euro und 112 neue Stellen aus dem Haushalt des Bundesinnenministeriums zur Verfügung, ein Zuwachs von gut 13 Prozent. Unzureichend, befand Bayerns Innenminister Herrmann am Freitag. Der Bund müsse "deutlich mehr Mittel" für ein "Stärkungspaket Bevölkerungsschutz" zur Verfügung stellen als bisher.

Eine Durchsuchung von Messenger-Diensten lehnt sie ab

Verhandelt wurde in Würzburg auch das Thema Internetkriminalität. Bundesinnenministerin Faeser will sexualisierte Gewalt und Kinderpornografie effektiver bekämpfen und dafür IP-Adressen auf Computern sichern lassen. Eine Durchsuchung verschlüsselter Messenger-Nachrichten hingegen, wie sie die EU-Kommission vorgeschlagen hatte, lehnt die Ministerin ab. "Da geht es um verschlüsselte Kommunikation. Das wäre so, als würde man in jeden Brief, in jeden Briefkasten schauen", sagte sie in Würzburg.

Auch Niedersachsens Innenminister Pistorius hält eine Durchsuchung der gesamten Chat-Kommunikation für problematisch, unterstützt aber die Sicherung von IP-Adressen, um die Verursacher schwerster Straftaten wie Kindesmissbrauch identifizieren zu können.

Die Innenministerkonferenz in Würzburg war begleitet von Protesten von Organisationen der Flüchtlingshilfe. Sie kritisierten Faesers Asylpolitik, die nach der Ankündigung eines Neuanfangs verpufft sei. "Es gibt große Enttäuschung und Frust", sagte Stephan Reichel, der als Vorsitzender des kirchlichen Vereins matteo Kirchenasyl in Bayern vermittelt. "Frau Faeser ist angetreten mit dem Versprechen eines Paradigmenwechsels in der Flüchtlingspolitik. Aber es ist nichts passiert." An hohen Ablehnungsquoten für Asylbewerber und politisch Verfolgte habe sich zu wenig geändert. Faeser schweige zu brutalen Zurückdrängungen an EU-Außengrenzen und rechtswidriger Unterbringung Geflüchteter in EU-Staaten wie Rumänien. "Wir fordern auch eine Gleichstellung ukrainischer und anderer Geflüchteter", sagte Reichel. Die derzeitige Praxis, die Flüchtlingen aus der Ukraine den deutschen Arbeitsmarkt öffne, solche aus muslimischen Ländern aber über Jahre zu Untätigkeit zwinge, sei "praktizierter Rassismus".

Faeser wies die Kritik zurück. Sie habe durchgesetzt, dass Geflüchtete schnelleren Zugang zu Integrationskursen bekommen sollen, und werde ein Migrationspaket vorlegen. Geplanter Zeitpunkt? "Demnächst."

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