Am Ende also Erleichterung bei den Gastgebern: Die Fußball-Europameisterschaft ist ohne schwere Sicherheitsvorfälle oder gar einen Terroranschlag über die Bühne gegangen. „In Anbetracht der Größe der Veranstaltung, der abstrakten Bedrohungsszenarien und der im Vorfeld geäußerten Sicherheitsbedenken gab es nur wenige sicherheitsrelevante Vorfälle“, teilte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Montag mit, zusammen mit Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU). Die Zahl der Straftaten, die bei den Fußballspielen und insgesamt 21 000 Veranstaltungen rund um die EM registriert wurden, lag demnach „erheblich“ unter den Erwartungen.
Angesichts der gereizten politischen Stimmung in Europa und zunehmender Radikalisierung hatten die Sicherheitsbehörden sich vor dem Turnier auf einen vergleichsweise hohen Aggressionspegel bei den Fans eingestellt, aber auch auf mögliche Geiselnahmen, Sprengstoffanschläge oder Cyberattacken. Vor allem die Erinnerung an das Jahr 2015, als islamistische Attentäter in Paris ein Fußballspiel zum Anlass für eine Serie schwerer Anschläge auch auf Café- und Konzertbesucher genommen hatten, galt bei deutschen Behörden im Vorfeld der EM als Warnung.
Ganz ohne Übergriffe blieb die EM aber nicht
Das sportliche Großereignis dieses Sommers aber, bei dem allein auf Fanmeilen sechs Millionen Menschen unterwegs waren, sei zum friedlichen „Fußballfest im Herzen Europas“ geraten, sagte Faeser am Montag. NRW-Innenminister Reul lobte die akribischen Vorbereitungen von Länderpolizeien, Bundespolizei und Rettungskräften. Ganz ohne Übergriffe allerdings blieb die EM nicht. Die Polizei stellte etwa 2340 Straftaten mit EM-Bezug fest, darunter rund 700 Körperverletzungsdelikte. Registriert wurden auch 140 Gewaltdelikte gegen Polizeivollzugskräfte. Zu den 115 000 polizeiliche Maßnahmen im Umfeld des Fußballturniers gehörten rund 170 Festnahmen.
Als politischer Beifang der verstärkten Sicherheitsmaßnahmen können die ausgeweiteten Grenzkontrollen betrachtet werden. Während der EM wurden 1112 Haftbefehle vollstreckt und etwa 100 Hooligans und 150 Schleuser an der Einreise nach Deutschland gehindert, auch weil erstmalig an sämtlichen Landesgrenzen kontrolliert wurde. Der Schengener Grenzkodex erlaubt Personenkontrollen an EU-Binnengrenzen nur in begründeten Ausnahmen und befristet, etwa wenn Gefahr für die öffentliche Sicherheit droht. Ansonsten gilt das Prinzip der Freizügigkeit für EU-Bürgerinnen und -Bürger. Die EU-Kommission warnte immer wieder davor, es zu durchlöchern.
Union und FDP wollen alle deutschen Grenzen kontrollieren
Um Einreisen von Asylbewerbern einzudämmen und Schleuser abzufangen, werden Grenzkontrollen in etlichen EU-Staaten allerdings inzwischen wieder vorgenommen – und Mal um Mal verlängert. An der deutsch-polnischen Grenze etwa, an der die Bundespolizei seit Oktober individuelle Kontrollen vornimmt, seien 13 600 unerlaubte Einreisen festgestellt und 149 Schleuser festgenommen worden, sagte der Sprecher des Bundesinnenministeriums am Montag.
An der Grenze zu Tschechien hat es demnach 7700 unerlaubte Einreisen und 175 Festnahmen von Schleusern gegeben. An der Grenze zu Österreich, wo die Grenzkontrollen schon seit 2018 immer wieder verlängert wurden, registrierte die Polizei seit Herbst 12 800 unerlaubte Einreisen und nahm 693 Schleuser fest. An der Schweizer Grenze waren es zuletzt 10 200 unerlaubte Einreisen.
Union und FDP nehmen diese Zahlen zum Anlass, die Kontrolle aller deutschen Grenzen zu fordern – also auch an den Grenzen zu Frankreich, den Niederlanden und den Beneluxstaaten, genau wie während der EM. Innenministerin Faeser hat dem Vorschlag sogleich eine Absage erteilt. Ihr Sprecher sagte am Montag, die Grenzkontrollen im Osten und Süden Deutschlands seien „europarechtlich gerechtfertigt“, weil es dort um die Bekämpfung von Schleuserkriminalität und irregulärer Migration gehe. „An den westlichen Grenzen und im Norden nach Dänemark haben wir keine wesentlichen Migrationsrouten.“
Allerdings plant auch Faeser schon die nächste Ausnahme. Die deutsch-französische Grenze solle vor und während der Olympischen Spiele in Paris kontrolliert werden. Ob die Maßnahmen jetzt einfach fortgesetzt werden – und wann genau sie enden –, verriet Faesers Sprecher nicht. Zunächst stehe die Notifizierung der Kontrollen in Brüssel an, sagte er. „Danach werden wir den Zeitraum nennen.“