MigrationFaeser lehnt Pläne für Ende des Asylrechts ab

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Nancy Faeser (SPD), geschäftsführende Bundesministerin für Inneres und Heimat, stellt auf einer Pressekonferenz die Bilanz zur Migrationspolitik der Bundesregierung vor.
Nancy Faeser (SPD), geschäftsführende Bundesministerin für Inneres und Heimat, stellt auf einer Pressekonferenz die Bilanz zur Migrationspolitik der Bundesregierung vor. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Mehr Abschiebungen, weniger Asylanträge: Innenministerin Faeser stellt sich mit einer Migrationsbilanz ein gutes Zeugnis aus. In der Union aber wächst der Druck, in der Asylpolitik noch stärker umzusteuern als bislang geplant.

Von Markus Balser, Berlin

In der entscheidenden Phase der Koalitionsgespräche eskaliert in Deutschland der Streit über die künftige Migrationspolitik. Bundesinnenministerin Nancy Faeser wies am Dienstag Vorschläge für noch härtere Maßnahmen und eine Abkehr vom Asylrecht scharf zurück. „Das Asylrecht steht für die SPD nicht zur Disposition“, sagte die SPD-Politikerin bei Vorlage ihrer Migrationsbilanz in Berlin. Ein Abschaffen des Asylrechts in Deutschland würde nichts am Zustrom ändern, da Migration nicht aufhöre und auch Schleuser nicht aufhörten, warnte Faeser. Zuvor hatte der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Hans-Eckhard Sommer, ein Ende des individuellen Asylrechts und stattdessen die Einführung von humanitären Kontingenten gefordert. So könne Deutschland aussuchen, wen es aufnimmt.

Die Brandrede des CSU-Mannes auf einer Veranstaltung der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung am Montagabend machte erneut deutlich, wie sehr in der Union der Druck auf den künftigen Kanzler Friedrich Merz wächst, in der Migrationsfrage stärker umzusteuern. Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), zeigte sich am Dienstag offen für eine noch härtere Gangart. Dagegen forderten Grünen-Politiker den Rücktritt Sommers. Ein „so hohes Gut wie das Grundrecht auf Asyl“ infrage zu stellen, sei mit seinem Amt nicht vereinbar, sagte Grünen-Chef Felix Banaszak.

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Die geschäftsführende Innenministerin Faeser präsentierte am Dienstag bei der Vorstellung ihrer Migrationsbilanz sinkende Asylzahlen. So sei die Zahl der Asylbewerber innerhalb der vergangenen zwei Jahre um 50 Prozent zurückgegangen. Zudem habe die Zahl der Rückführungen um 55 Prozent zugenommen. Nach den seit Oktober 2023 schrittweise eingeführten Grenzkontrollen seien 50 000 Personen zurückgewiesen und rund 2000 Schleuser festgenommen worden. Faeser warnte angesichts sinkender Asylzahlen vor einer vergifteten gesellschaftlichen Debatte und zu großen Versprechen der neuen Regierung. Die dürfe keine Illusionen schüren. Migrationsbewegungen hörten ebenso wenig auf wie Krisen und Kriege.

Experten verweisen allerdings darauf, dass der Rückgang der Asylzahlen nicht allein ein Ergebnis der amtierenden Regierung sei. „Sicherlich haben die Grenzkontrollen an den deutschen Grenzen insbesondere zu Polen und Tschechien für einen Rückgang der irregulären Einreisen gesorgt“, sagte Birgit Glorius, die stellvertretende Vorsitzende des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR). Hinzu kämen Befestigungen der EU-Außengrenze im Osten und EU-Abkommen mit Staaten entlang von Zugangsrouten. Die Fluchtlage bleibe prekär. Der Konflikt um Gaza und die Lage in der Türkei erforderten „erhöhte Aufmerksamkeit hinsichtlich der Effekte auf das Fluchtgeschehen“.

Seit Oktober 2023 kontrolliert die Bundespolizei die Grenze zu Polen, die Zahl der Übertritte nahm seitdem ab.
Seit Oktober 2023 kontrolliert die Bundespolizei die Grenze zu Polen, die Zahl der Übertritte nahm seitdem ab. (Foto: JENS SCHLUETER/AFP)

Dass die Noch-Innenministerin auch die künftige sein wird, gilt als unwahrscheinlich. Denn in einer neuen Bundesregierung unter einem Kanzler Merz dürfte die Union das Innenministerium beanspruchen. Faesers Bilanz aber lieferte der SPD neue Argumente, der Union bei einer massiven Verschärfung des Asylkurses nicht zu folgen. Beide Seiten lägen bei den Koalitionsgesprächen in den strittigen Punkten noch weit auseinander, hieß es in Verhandlungskreisen. Dabei läuft den Unterhändlern die Zeit davon. Spätestens Ende April oder Anfang Mai will Merz mit einer neuen Regierung starten. Bis dahin allerdings müssen CDU und CSU sowie die Sozialdemokraten dem Koalitionsvertrag zugestimmt haben.

Für Merz wird die Lage schwieriger, auch in der eigenen Partei

Doch selbst bereits geeinte Punkte bereiten Probleme. So hatte die Union zwar in den Koalitionsverhandlungen gegen Widerstände in der SPD durchgesetzt, Menschen an den Grenzen zurückzuweisen, auch wenn sie um Asyl ersuchen, um die irreguläre Migration zu reduzieren. Das aber soll laut Koalitionspapieren nur in Abstimmung mit den Nachbarländern geschehen. Österreich oder auch Polen lehnen den Merz-Plan aber nach Angaben aus Regierungskreisen weiterhin strikt ab. Damit würde es die Maßnahme zwar in den Koalitionsvertrag schaffen, bliebe aber praktisch wirkungslos. Von der von Merz versprochenen Asylwende bliebe damit wenig übrig. An der Unionsbasis macht sich deshalb über die Verhandlungslinie der eigenen Reihen bereits Ärger breit. Für Merz wird die Lage schwieriger, nachdem er seine Anhänger bereits mit der Kehrtwende zu höheren Schulden enttäuscht hatte.

Während der Union die geplanten Maßnahmen nicht weit genug gehen, warnen Flüchtlings-NGOs und die traditionell der SPD nahestehenden Sozialverbände aus humanitären Gründen vor einer weiteren Verschärfung des Asylrechts. „Schon die geeinten Vorhaben sind eine flüchtlingspolitische Bankrotterklärung“, sagt Joachim Rock, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands der SZ. „Zurückweisungen an den Grenzen und die weitgehende Abschaffung legaler Fluchtwege bedeuten die faktische Abschaffung des Rechts auf Asyl in Deutschland.“

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