Hatespeech auf Facebook:Radikal gegen die Menschenhatz

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Die Deutsche Umwelthilfe verklagt den Facebook-Mutterkonzern Meta vor dem Berliner Landgericht wegen regelmäßiger Bedrohungen in Facebook-Gruppen. Facebook weigere sich bislang, diese Gruppen zu schließen, sagte DUH-Geschäftsführer Juergen Resch Foto am Mittwoch in Berlin. (Foto: Christian Ditsch/Imago/epd)

Der Chef der Deutschen Umwelthilfe will nicht länger seine Tage damit zubringen, Dutzende Strafanzeigen gegen Facebook-Hetzer zu stellen - und verlangt deshalb, dass einschlägige Chatgruppen einfach pauschal geschlossen werden. Das wäre ein Novum.

Von Ronen Steinke, Berlin

Meta, der amerikanische Mutterkonzern des sozialen Netzwerks Facebook, ist in Deutschland schon mehrmals vor Gericht gezerrt worden. Immer ging es um Hass und Hetze, zum Beispiel um Beleidigungen oder Lügen gegen die ehemalige Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne). Und immer ging es darum, dass Facebook solche einzelnen Online-Schmähungen nicht löschen oder verfolgen wollte.

Jetzt versucht ein Kläger, den amerikanischen Konzern auch noch etwas grundlegender in die Pflicht zu nehmen. Jürgen Resch, der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, klagt vor dem Landgericht Berlin, und er verlangt, dass Facebook nicht nur einzelne Schmähungen gegen ihn löscht - sondern dass gleich eine ganze Facebook-Gruppe mit mehr als 50 000 Mitgliedern geschlossen werde. Das hätte, wenn es gelingen sollte, eine neue Qualität. Am kommenden Dienstag treffen sich die Parteien erstmals vor Gericht.

"Wer bringt den mal zur Strecke?", schrieb einer im Chat

Es geht um eine Facebook-Gruppe, die "Stoppt die Deutsche Umwelthilfe (DUH)!" heißt. In ihr entlädt sich der Hass auf Jürgen Resch, der sich mit seiner Organisation dafür engagiert, abgasstarke Dieselfahrzeuge von den Straßen zu verbannen. Zwei Mitarbeiter der Automobilbranche, die namentlich bekannt sind, administrieren die Gruppe, in der viel über die "Diskriminierung" von Dieselfahrern geklagt, aber immer wieder auch Resch persönlich diffamiert wird. "Wer bringt den mal zur Strecke?", schreibt dort etwa eine Person im Chat. Eine andere antwortet: "Scharfschützen".

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So geht das hin und her, die Teilnehmer schaukeln sich auf. Bald schon schreibt einer: "Wir sollten alle zusammenlegen und jemanden beauftragen." Jemand postet ein Foto von Munition, dazu der Text: "Geht ins Ohr, bleibt im Kopf. Heckler & Koch". Jürgen Resch selbst sagt, dass solche Sprüche bereits Folgen im reale Leben hätten, so habe ihm etwa jemand eine Patronenhülse per Post zugeschickt. Öffentliche Veranstaltungen, an denen er teilnehme, müssten mitunter von der Polizei geschützt werden.

Mehr als 300 Strafanzeigen

Schon mehr als 300 Strafanzeigen wegen solcher Bedrohungen bei Facebook hat Resch erstattet. Ohne Zweifel ist es strafbar, wenn jemand in dem sozialen Netzwerk dazu aufruft, sich an Reschs privatem Wohnort am Bodensee zu treffen, um ihn gemeinsam zu verprügeln - "Um zahlreiches Erscheinen wird gebeten" -, selbst wenn es dazu dann nicht kommt. Aber die Mühlen der Strafjustiz mahlen langsam, "ein halbes Jahr oder ein Jahr muss man warten", sagt Resch. Auch lasse Facebook die Posts oft wochenlang stehen, selbst wenn er sich beschwere. "Ich verstehe jeden, der bei solchen Bedrohungen sagt, das tue ich mir nicht an", sagt er. "Dann geht aber unsere Zivilgesellschaft vor die Hunde."

Deshalb versucht Resch, unterstützt durch die Berliner Rechtsanwältin Juliane Schütt, den Facebook-Konzern zu einem größeren, gründlicheren Schritt zu zwingen - nämlich Chatgruppen, in denen besonders viele Bedrohungen geäußert werden, pauschal und präventiv dichtzumachen. Ob das juristisch möglich ist, ist fraglich. Einen solchen Anspruch sieht das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das 2017 verabschiedet und erst im vergangenen Jahr noch einmal verschärft wurde, eigentlich nicht vor.

"Nach dieser Logik", so kritisiert die Anwältin Schütt mit Blick auf die bisherige Situation, "müsste Herr Resch jeden Tag mehrere Stunden damit zubringen, die einschlägigen Gruppen zu durchforsten, neueste Gewaltfantasien gegen sich zu lesen, zu markieren, in ein Formular einzutragen und anschließend warten, ob Meta oder die Staatsanwaltschaft aktiv werden. Das ist nicht zumutbar."

Sinnvoller wäre es, so argumentiert also Resch, wenn das Berliner Landgericht schon nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen entscheiden würde, dass Facebook die Pflicht habe, einem Betroffenen diese missliche Situation zu ersparen - und einschlägig bekannte Hass-Chatgruppen einfach pauschal zu schließen.

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