Süddeutsche Zeitung

Anonymität im Netz:BGH prüft Klarnamenpflicht auf Facebook

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Soll man in sozialen Netzwerken nur unter echtem Namen Posts absetzen dürfen? Oder können Nutzer auch anonym bleiben oder ein Pseudonym verwenden? Die Frage beschäftigte gerade den Bundesgerichtshof.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Es war ein Plädoyer für die freie Rede im Netz. "Die anonyme Nutzung ist dem Internet immanent", schrieb der Bundesgerichtshof (BGH) und fügte hinzu: "Eine Beschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit auf Äußerungen, die einem bestimmten Individuum zugeordnet werden können", sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Denn eine Pflicht, sich namentlich zu einer bestimmten Meinung zu bekennen, berge die "Gefahr der Selbstzensur". Netzaktivisten hätten es nicht besser ausdrücken können.

Das Problem an dem klaren Bekenntnis ist nur: Es ist mehr als zwölf Jahre alt. Zwölf Jahre sind in der digitalen Welt eine kleine Ewigkeit, und es ist viel passiert seither. Zum Beispiel ist es inzwischen zur bitteren Wahrheit geworden, dass hetzerische Posts in Gewalt umschlagen können. An diesem Donnerstag hatte sich der BGH erneut mit der Frage zu befassen, ob Nutzer im Netz anonym bleiben oder Pseudonyme verwenden dürfen. Es ging um den Albtraum der alten freien Netzwelt - die Klarnamenpflicht.

Geklagt haben zwei Facebook-Nutzer - ein Mann und eine Frau -, die im Netzwerk Fantasie-Profilnamen angegeben hatten. Weil dies im Widerspruch zur Klarnamenpflicht in den Geschäftsbedingungen steht, sperrte Facebook die Konten und gab sie erst nach Änderung des Profilnamens wieder frei. Die Nutzer halten dies für rechtswidrig.

Ist der Kampf gegen Cybermobbing und Hassrede ein Argument für eine Klarnamenpflicht?

Tatsächlich gerät man schnell in ein Geflecht von Vorschriften, das erst noch höchstrichterlich entwirrt werden muss. Das Telemediengesetz schreibt den Plattformen in der Tat vor, ihre Nutzung "anonym oder unter Pseudonym" zu ermöglichen - soweit dies "zumutbar" sei. Auf der anderen Seite gilt aber seit 2018 die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Die deutsche Regierung wollte damals ein Recht auf pseudonyme Nutzung sozialer Medien hineinverhandeln, hat sich aber nicht durchgesetzt. Deshalb steht dort zwar, die Verarbeitung personenbezogener Daten müsse auf das "notwendige Maß" beschränkt werden. Ob aber eine Klarnamenpflicht zulässig ist, blieb offen. Im konkreten Fall wird der BGH die Frage voraussichtlich schon aus einem formalen Grund nicht abschließend klären, weil es um Klauseln aus der Zeit vor der DSGVO geht. Für solche Altverträge dürfte die Namenspflicht unwirksam sein, deutete der Senatsvorsitzende an. Ein Urteil wird am 27. Januar verkündet.

Aber weitere Verfahren sind bereits in Sicht, und die entscheidenden Fragen liegen auf dem Tisch. Ist der Kampf gegen Cybermobbing und Hassrede ein durchschlagendes Argument für eine Klarnamenpflicht? So sah es in der Vorinstanz, das Oberlandesgericht München. Die Namenspflicht könne rechtswidrigem Verhalten entgegenwirken, schrieb es: "Bei der Verwendung eines Pseudonyms liegt die Hemmschwelle nach allgemeiner Lebenserfahrung deutlich niedriger."

Und die Freiheit im Netz? Herbert Geisler, Anwalt der Nutzer, erinnerte daran, dass es auch heute noch gute Gründe dafür gebe, seine Meinung nicht mit offenem Visier kundzutun - etwa bei russischen Dissidenten oder türkischen Regimekritikern. Deshalb müsse die Meinungsfreiheit Vorrang vor dem monetären Interesse von Facebook haben.

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