Süddeutsche Zeitung

EZB:Zentralbank erhöht Strafzinsen

Die europäische Notenbank möchte der drohenden Rezession entgegenwirken und plant den Kauf weiterer Anleihen.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Die Europäische Zentralbank hat eine weitere Lockerung der Geldpolitik für die Euro-Zone beschlossen. Sie möchte das billionenschwere Anleihekaufprogramm wieder aufnehmen und von November an monatlich 20 Milliarden Euro in den Kauf von Staats- und Unternehmensanleihen investieren. Außerdem entschieden die Währungshüter, den Strafzins für Bankeinlagen auf 0,5 Prozent anzuheben.

"Wir haben diese Maßnahmen ergriffen, weil die Inflation zu niedrig ist", sagte EZB-Präsident Mario Draghi am Donnerstag in Frankfurt. Die Teuerungsrate in der Euro-Zone lag im August bei einem Prozent. Doch die EZB strebt zwei Prozent an, ein Ziel, das die Institution seit Jahren verfehlt. Draghi warnte vor einem Wirtschaftsabschwung in Europa, auch aufgrund der globalen Handelskonflikte und der Unsicherheit um die Modalitäten des Brexit.

Der Italiener forderte Euro-Staaten auf, die es sich leisten könnten, mehr Schulden aufzunehmen, um die Wirtschaft anzukurbeln. "Wenn die Fiskalpolitik aktiver wäre, dann wären wir nicht gezwungen, solche Maßnahmen zu ergreifen, und dann würden auch die Nebeneffekte geringer ausfallen", sagte Draghi. Seine Aufforderung richtete sich vor allem an die Bundesregierung, die an der schwarzen Null festhält.

Der amerikanische Präsident Donald Trump twitterte kurz nach der Zinsentscheidung, die EZB habe "mit Erfolg den Euro gegen den sehr starken Dollar abgewertet" und schade damit den US-Exporten. Draghi wies das zurück, die EZB habe keine Wechselkursziele.

Der im November scheidende EZB-Präsident musste um eine Mehrheit im EZB-Rat kämpfen, damit er diese geldpolitische Lockerung durchsetzen konnte. So haben sich nach SZ-Informationen zehn der 25 EZB-Ratsmitglieder gegen die Wiederaufnahme der Anleihekäufe ausgesprochen. Die Kritiker fürchten, der Notenbank könnten die Instrumente ausgehen, wenn die wirtschaftliche Lage wirklich ernst würde.

Mit dem nun von 0,4 auf 0,5 Prozent verschärften Strafzins belastet die Notenbank Geldreserven noch stärker, die der Bankensektor auf Konten der EZB parkt. Die Institute sollen mit dieser Maßnahme nachdrücklich gedrängt werden, das überschüssige Geld als Darlehen an Unternehmen und Haushalte auszureichen. So soll die Wirtschaft angekurbelt werden.

In den vergangenen Wochen warnten Bankenvertreter in Deutschland, man müsse diese Strafzinsbelastung irgendwann an die Kunden weiterreichen. Sofort folgte die - unrealistische - politische Forderung nach einem Verbot von Negativzinsen auf Girokonten. Die EZB kam ihren Kritikern aber nun entgegen und legte am Donnerstag großzügige Freibeträge fest, auf die kein Strafzins mehr fällig wird.

Draghi sagte, die EZB werde die lockere Geldpolitik so lange fortsetzen, bis die Inflation nachhaltig anziehe. Damit gilt als sicher, dass die Zinsen in der Euro-Zone noch lange auf historisch niedrigem Niveau verharren werden. Die Finanzierungsbedingungen für Immobilien in Deutschland dürften daher günstig bleiben.

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Quelle:
SZ vom 13.09.2019
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