Inflation:EZB erhöht Leitzins unerwartet deutlich

Inflation: Der Tag der Entscheidung: Am Mittwoch hat die Europäischen Zentralbank mit Sitz in Frankfurt am Main den Leitzins angehoben.

Der Tag der Entscheidung: Am Mittwoch hat die Europäischen Zentralbank mit Sitz in Frankfurt am Main den Leitzins angehoben.

(Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Im Kampf gegen die hohe Inflation heben die Währungshüter den Leitzins überraschend auf 0,5 Prozent an. Weitere Steigerungen sind nicht ausgeschlossen.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Die Europäische Zentralbank hat wegen der rekordhohen Inflation den Leitzins überraschend deutlich auf 0,5 Prozent angehoben. "Das ist ein historischer Moment", sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde nach der Entscheidung am Donnerstag in Frankfurt. Aufgrund der hohen Inflation habe man sich entschlossen, den Zins stärker anzuheben. Ursprünglich hatte die Notenbank eine Anstieg um 0,25 Prozentpunkte angekündigt. Weitere Leitzinserhöhungen in diesem Jahr seien möglich, hingen aber von der aktuellen Entwicklung ab.

Darüber hinaus beschloss die EZB ein neues Rettungsinstrument für den Fall, dass es an den Anleihemärkten zu Turbulenzen kommt. Um "ungerechtfertigte und unkontrollierte Marktentwicklungen" zu stoppen, würde die Notenbank im Ernstfall Staatsanleihen kaufen. Ein Ex-ante-Limit für die Höhe der Ankäufe gebe es nicht, sagte Lagarde. Aufgrund des Rücktritts von Italiens Ministerpräsident Mario Draghi sind die Anleihezinsen für Italien zuletzt deutlich angestiegen.

Mit dem Beschluss geht die jahrelange Nullzinspolitik der Notenbank zu Ende. Der Leitzins für die Eurozone lag seit 2016 bei null Prozent, Kreditinstitute mussten für ihre Einlagen bei der Notenbank seit 2014 sogar einen Negativzins bezahlen. Zuletzt waren das 0,5 Prozent - nun liegt der Satz bei null Prozent. Gleichzeitig hat die Notenbank seit 2015 Staats- und Unternehmensanleihen im Wert von rund fünf Billionen Euro gekauft. Diese Kaufprogramme sind inzwischen ausgelaufen.

Der Bankensektor hat bereits in den vergangenen Wochen auf die erwartete Zinswende reagiert. Immobilienkredite und andere Darlehen sind teurer geworden. Auf Sparkonten gibt es wieder einen Ertrag, allerdings gleicht der Zins die Geldentwertung bei Weitem nicht aus. Die Inflation in der Euro-Zone hat sich im Juni weiter beschleunigt und mit 8,6 Prozent einen Rekordwert erreicht.

Die Preise steigen weltweit seit gut anderthalb Jahren. Anfangs glaubten die meisten Notenbanker, es handele sich um ein bald vorübergehendes Phänomen. Das Argument: Der Inflationsschub werde abebben, sobald die Lieferengpässe, ausgelöst durch die Corona-Pandemie, behoben wären. Doch der Angebotsmangel blieb bestehen, Russlands Krieg gegen die Ukraine verschärfte die Probleme bei der Energieversorgung: Die Inflation verfestigte sich deshalb.

Die letzte Leitzinserhöhung hatte die EZB im Jahr 2011 noch unter dem damaligen Präsident Jean-Claude Trichet beschlossen - damals betrug die Inflationsrate knapp drei Prozent. Lagarde stand zuletzt unter starkem Druck, die Zinsen endlich anzuheben. Andere wichtige Notenbanken wie die amerikanische Federal Reserve und die Bank of England haben ihre Niedrigzinspolitik bereits vor vielen Monaten beendet. Die höheren Zinsen in den USA haben inzwischen zu einer starken Aufwertung des US-Dollar gegen den Euro beigetragen - mit negativen Konsequenzen für das Preisniveau in Europa: Weil Rohstoffe wie Öl in Dollar abgerechnet werden, erhöhen sich die Einfuhrkosten entsprechend, was den Inflationsdruck hierzulande noch verstärkt.

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