Süddeutsche Zeitung

Extremsport:Geld aus der Dose

Lesezeit: 3 min

Schneller, höher, weiter: Der Getränkehersteller Red Bull ist mit gefährlichen Marketing-Aktionen erfolgreich - etwa mit Sprüngen über die St. Angelo Brücke in Rom.

Von Marcel Grzanna

Es gab Zeiten, da war der österreichische Getränkehersteller Red Bull ein beschaulicher Familienbetrieb. Streng genommen ist er das zwar immer noch, aber die Expansion seiner mehr als 100 Tochtergesellschaften in andere Wirtschaftszweige hat aus dem Unternehmen längst einen Weltkonzern gemacht. Aus der Firmenzentrale im Salzburger Dörfchen Fuschl am See dirigiert Firmengründer Dietrich Mateschitz heute ein Milliardenimperium.

Im Jahr 2019 glänzte Red Bull mit 7,5 Milliarden verkauften Getränkedosen. Laut dem Marktforschungsunternehmen Kantar Millward Brown belegt Red Bull Platz zwei in der Rangliste der wertvollsten Softdrink-Marken weltweit - nach Coca-Cola und vor Pepsi, deren Historien bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen. Prognosen, die Red Bull vor zehn Jahren schwere Zeiten vorhersagten, erwiesen sich als falsch. Der Umsatz der Gesellschaft mit beschränkter Haftung belief sich 2019 auf 6,06 Milliarden Euro - so viel wie niemals zuvor in der 36-jährigen Firmengeschichte.

Gründer Mateschitz hat aus Red Bull eine Marke gemacht, die heute laut dem European Brand Institute 15,1 Milliarden Euro wert ist und sich zur wertvollsten Marke Österreichs entwickelt hat. Sein Privatvermögen wird auf eine Summe von 16 bis 19 Milliarden Euro geschätzt. In Österreich ist er damit der Reichste. Gelungen ist ihm das mithilfe eines buchstäblich halsbrecherischen Marketings, das Red Bull sich Milliarden hat kosten lassen.

Spektakuläre Nischensportarten wie Wingsuit-Fliegen, Flugzeug-Slalom und Hochgeschwindigkeitsskifahren, aber auch Einzelevents wie der Freifallrekord eines Fallschirmspringers aus fast 40 Kilometern Höhe haben den Markennamen Red Bull in die Köpfe der vorwiegend jungen Konsumenten als Energielieferant in allen Lebenslagen eingebrannt. "Wo Red Bull ist, da geht was ab", lautet die Botschaft. Wirksamer hätte sich das Unternehmen in der Zielgruppe kaum positionieren können.

Bewusst nimmt Red Bull dabei in Kauf, dass Tragödien nicht auszuschließen sind, wenn Extreme die Marke profilieren. In der Vergangenheit starben Basejumper, Motorsportler oder Stuntmen, die mit der Unterstützung von Red Bull den Nervenkitzel suchten. Die Kritik an solchem Sponsoring und Youtube-Videos, die Titel tragen wie zum Beispiel: "Wer springt im Wingsuit für Red Bull in den Tod?" haben der Beliebtheit der zuckersüßen Getränke aber offenbar nicht geschadet. Als Mitbegründer der "Wings for Life"-Stiftung stellte Mateschitz einer Salzburger Klinik für die Forschung im Kampf gegen Rückenmarksverletzungen einst 70 Millionen Euro zur Verfügung.

Bis heute ist Red Bull auch in Massensportarten wie dem Fußball mit eigenen Profiklubs in Deutschland, Österreich oder den USA vertreten, sponsert erfolgreiche Eishockeyklubs und Formel-1-Teams. Proteste muss sich Red Bull nur noch von Fußballfans gefallen lassen, denen es nicht passt, das RB Leipzig den Traditionsvereinen der Fußballbundesliga den Rang abläuft, indem es Millionenkredite in den Klub pumpt und, wie kürzlich, auf eine Rückzahlung verzichtet. Verstorbene Extremsportler sind heute nur noch eine Randnotiz.

Die Erfolgsgeschichte des Unternehmens begann in Thailand, wo der heute 76-jährige Mateschitz Mitte der 1980er-Jahre von einem Energydrink so begeistert gewesen sein soll, dass er sich die Lizenzrechte daran sicherte. Darüber hinaus gründete er mit der thailändischen Unternehmerfamilie Yoovidhya die Red Bull GmbH. Die Kupplung entpuppte sich als stabile Partnerschaft. Die Struktur hat sich bis heute nicht verändert. Mateschitz hält 49 Prozent an der GmbH, den Rest die Thais. Das Eigenkapital betrug Ende 2018 deutlich mehr als eine Milliarde Euro, die Eigenkapitalquote lag bei 80,95 Prozent. Investitionen werden bei Red Bull aus dem operativen Cashflow finanziert.

Mateschitz platzierte den Firmensitz in das 1500-Seelen-Örtchen Fuschl am See im Salzburger Flachgau. Alles, was er benötigte, fand er dort. Idylle und ausreichend Platz, um die nötigen Strategie-Abteilungen für die Welteroberung seiner Marke um sich aufzubauen. Die Herstellung des Kernprodukts Getränke lagerte Mateschitz von Beginn an aus. Statt sich Gedanken machen zu müssen, wie er eine wachsende Nachfrage bewältigen könnte, konzentrierte er sich von Beginn an ausschließlich darauf, die wachsende Nachfrage zu kreieren. Mit Dosenfüllen wollte er sich nicht belasten.

Seine Qualitäten stellte er schon bei früheren Arbeitgebern unter Beweis. Als junger Mann stieg er beim Zahnpasta-Produzenten Blendax zum Marketingchef auf. Dort zeigte er offenbar die Dynamik, die er im BWL-Studium noch hatte vermissen lassen. Einmal gab der Sohn eines Lehrerpaares zu, dass er wohl "zwei, drei Jahre länger" studierte, als es nötig gewesen war. Für Familie blieb ihm dagegen lange wenig Zeit. Erst mit Ende 40 wurde er erstmals Vater. Sein Sohn ist heute 28 Jahre alt. Er stammt aus einer früheren Beziehung des Unternehmers. Mark Mateschitz gilt bei Red Bull als ein heißer Anwärter auf die Nachfolge des Vaters, sollte der sich aufs Altenteil zurückziehen. In verschiedenen Konzernpositionen verdiente sich der Filius in den vergangenen Jahren erste Sporen.

Für den gesamten Konzern arbeiten heute mehr als 12 000 Mitarbeiter in 171 Ländern. Der Chef kann großzügig sein, heißt es, kann aber auch konsequent seine Linie durchsetzen. 2016 drohte er, den Red-Bull-Fernsehsender Servus TV zuzumachen, weil die Belegschaft einen Betriebsrat gründen wollte. Mateschitz setzte sich durch. Servus TV gibt es heute noch.

Dieser Text ist zuerst am 3. September 2020 in der SZ erschienen.

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Quelle:
SZ vom 05.09.2020
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