Süddeutsche Zeitung

Extremisten in Norwegen:"Breivik ist der erste anti-muslimische Terrorist"

Anders Behring Breivik hat sich vor dem Doppelanschlag im Internet in rechtsextremen Foren verbreitet. Warum der schwedische Journalist Daniel Poohl den Attentäter nicht für einen Neonazi hält - und wie sich die rechte Szene in Norwegen in den vergangenen Jahren verändert hat.

Gerhard Fischer

Stieg Larsson war nicht nur ein glänzender Krimiautor; er war vor allem ein nimmermüder Kämpfer gegen den Rechtsextremismus. Im Jahr 1995 hatte er in Stockholm die antifaschistische Zeitschrift Expo gegründet. Larsson starb 2004, er war beim Weg in die Expo-Redaktion mit einem Herzinfarkt zusammengebrochen. Heute ist Daniel Poohl Chefredakteur der Zeitschrift.

SZ: Herr Poohl, der Attentäter hat sich in rechtsextremen Internetforen verbreitet. Wie groß ist die neonazistische Szene in Norwegen?

Poohl: Sie ist sehr, sehr, sehr klein. Und sie ist inkompetent und statisch. Aber Anders Breivik ist kein Neonazi, er gehört einer anti-muslimischen Bewegung an, die es seit etwa zehn Jahren gibt.

Breivik meint, das Volk solle aufwachen, solle sich gegen Multikulti wenden - und die jungen Sozialdemokraten seien das Symbol für die staatlichen Institutionen, die Norwegen zerstören. Breivik sieht sich als Tempelritter, er befindet sich im Krieg gegen den Islam. Er ist der erste anti-muslimische Terrorist.

SZ: Können Sie diese anti-muslimische Bewegung näher beschreiben? Wie viele Menschen gehören ihr wohl an?

Poohl: Ich habe keine Zahlen, das ist schwer zu messen. Sie sind in jeden Fall sehr vital. Zu dieser anti-muslimischen Bewegung gehören auch die Fortschrittspartei in Norwegen, die Dänische Volkspartei und die Schwedendemokraten. Es gibt diese anti-muslimische Bewegung in ganz Westeuropa.

SZ: Und was haben diese Leute mit Neonazis gemein?

Poohl: Die anti-muslimische Bewegung hat sich vor etwa zehn Jahren von den Neonazis abgespalten. Natürlich gibt es noch Personen, die sich in beiden Welten bewegen, schließlich haben sie weiter gewisse Gemeinsamkeiten: Hass auf Homosexuelle, auf Ausländer, die Verherrlichung der Familie, die sehr konservative Grundeinstellung.

Aber offiziell heißt es: Wir wollen nichts miteinander zu tun haben. Vor allem haben sie unterschiedliche Feinde: Neonazis sind Antisemiten, sie hassen Israel. Die anti-muslimische Bewegung ist pro Israel. Nehmen Sie Geert Wilders in Holland: Er ist kein Nazi, aber er ist Teil der anti-muslimischen Bewegung.

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Quelle:
SZ vom 25.07.2011/plin
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