Extremismusklausel:Radikal in Sachsen

Nach massiven Protesten hat das Bundesfamilienministerium die Extremismusklausel entschärft. Nur in Sachsen müssen Initiativen weiterhin mit ihrer Unterschrift versichern, dass sie im Sinne des Grundgesetzes handeln. Nicht nur die: selbst Holocaustüberlebende, die zu Vorträgen eingeladen werden, sollen sich so zur Rechtsstaatlichkeit bekennen.

Von Antonie Rietzschel

Dresden - die sächsische Landeshauptstadt war früher Schauplatz des größten Naziaufmarschs in Europa. An diesem 13. Februar werden sie nicht durch die sächsische Landeshauptstadt laufen. Nur eine kleine Versammlung wird es geben. Zu verdanken ist das den vielen Demonstranten, die sich ihnen immer wieder in den Weg stellten. Dass gleichzeitig in weiten Teilen Sachsens die rechtsextremen Aktivitäten zurückgegangen sind, liegt auch am Engagement der Initiativen vor Ort.

Doch die sächsische Landesregierung bleibt ihnen gegenüber misstrauisch. Während sich Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) gemeinsam mit Innenminister Thomas de Maizière (CDU) für den Bund auf eine leicht abgeschwächte Form der Extremismusklausel - offiziell heißt sie Demokratieerklärung - geeinigt hatten, bleibt sie in Sachsen teilweise bestehen. Initiativen, die Gelder aus landeseigenen Fördertöpfen beziehen, müssen sich weiterhin mit ihrer Unterschrift zum Grundgesetz bekennen. Wer sich weigert, muss sich den Verdacht gefallen lassen, linksextremistisch zu sein.

Man werde über die eigene Position nachdenken, hieß es noch Ende Januar aus dem sächsischen Innenministerium. Das Ergebnis steht nach wenigen Tagen fest: "Wir wollen diese Praxis beibehalten", sagt ein Sprecher.

Alles andere wäre auch eine riesige Überraschung gewesen in einem Bundesland, dessen schwarz-gelbe Landesregierung bereits ein glühender Verfechter der Demokratieerklärung war, bevor sie 2011 überhaupt eingeführt wurde: 2010 machte Sachsen die Verleihung eines Demokratiepreises davon abhängig, dass die Nominierten sich mit ihrer Unterschrift zum Grundgesetz bekennen.

Der Verein Akubiz aus Pirna verzichtete daraufhin auf den Preis - und damit auf 10.000 Euro. "Es ist doch absurd, uns für die geleistete Arbeit ehren zu wollen und gleichzeitig ein Bekenntnis zur Demokratie zu verlangen", sagt Anne Nitschke vom Akubiz rückblickend. Viele Initiativen, auch bundesweit, unterstützten damals die Entscheidung des Vereins.

Doch der Protest bewegte Sachsen nicht etwa dazu einzulenken. Im Gegenteil: Als einziges Bundesland brachte es eine eigene Extremismusklausel auf den Weg. Die sogenannte "Sachsenklausel" führt noch weiter als die des Bundes - denn sie müssen auch alle Projekt-Beteiligten unterschreiben. Auch Referenten. (Hier finden Sie einen Überblick darüber, wie sich die sogenannte "Sachsenklausel" von der des Bundes unterscheidet).

Erneut wird geklagt

Einige Initiativen hat diese Regelung in eine missliche Lage gebracht. Zeit Online berichtete von einem besonders drastischen Fall: Die Vorsitzende der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit weigerte sich, von zwei Holocaust-Überlebenden ein solches Bekenntnis zur Rechtstaatlichkeit zu verlangen. Es sei ihr zu peinlich gewesen den beiden externen Referenten die Klausel überhaupt vorzulegen, wird sie zitiert. Erst nach dem Medienbericht erklärte sich das Innenministerium bereit, eine Ausnahme zu machen. Geld gab es dann auch ohne die Unterschriften.

Der Verein Akubiz will bis heute nicht unterschreiben - im November 2011 reichten die Mitglieder sogar Klage beim Verwaltungsgericht in Dresden ein und hatten zunächst auch Erfolg. Die Extremismusklausel des Bundes wurde für rechtswidrig erklärt. Doch das Bundesfamilienministerium änderte daraufhin nur den Wortlaut.

Nun versuchen die Initiativen juristisch gegen die Sachsenklausel vorzugehen. Das Ökumenische Informationszentrum Dresden, sowie "Weiterdenken" der Heinrich-Böll-Stiftung haben jeweils Klage vor dem Verwaltungsgericht Dresden eingelegt. "Wir wollen, dass die Regelung endlich abgeschafft wird", sagt Annemarie Müller, Geschäftsführerin des Ökumenischen Informationszentrums. Ihre Organisation selbst sei gar nicht so sehr auf das Geld angewiesen. Die Klage habe man stellvertretend für die Initiativen eingereicht, die es dringend benötigten.

So wie das Akubiz aus Pirna, das den Kampf gegen die Extremismusklausel einst eröffnete. In diesem Jahr will der Verein ein antirassistisches Fußballturnier organisieren, aber auch eine Wanderung auf den Spuren des Widerstandes im Nationalsozialismus. "Auch wenn wir nicht wissen, wie genau die neue Regelung im Bund zum Thema Extremismusklausel aussehen wird, haben wir jetzt schon mal einen Antrag gestellt", sagt Nitschke. Derzeit lebt der Verein von Preisgeldern. Doch die werden nicht mehr lange reichen.

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