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Extremismus - Wiesbaden:Verfassungsschutz warnt vor steigender Gefahr von rechts

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Wiesbaden (dpa/lhe) - Die Zahl der Rechtsextremisten in Hessen ist nach Angaben des Verfassungsschutzes stark gestiegen. Sie kletterte 2019 im Vergleich zum Vorjahr um 725 auf 2200, wie die Sicherheitsbehörde am Freitag in Wiesbaden mitteilte. Grund dafür sei insbesondere, dass seit Februar 2019 die AfD-Teilorganisationen "Flügel" und "Junge Alternative" (JA) in Hessen vom Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) beobachtet würden.

Die Zahl der als gewaltorientiert eingestuften Rechtsextremisten kletterte 2019 im Vergleich zum Vorjahr nach Erkenntnissen des LfV um 160 auf 840. "Die Bedrohung durch den Rechtsextremismus ist in Deutschland und so auch in Hessen dramatisch gestiegen", erklärte Innenminister Peter Beuth (CDU).

Von den mehr als 1000 extremistischen Straf- und Gewalttaten wurden im vergangenen Jahr 886 Rechtsextremisten zugeordnet, wie aus dem Verfassungsschutzbericht hervorgeht. Aktenkundig wurden allein 803 rechtsextremistische Propagandastraftaten. Zu den 31 rechtsextremistischen Gewalttaten zählen unter anderem das Tötungsdelikt am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke sowie die rassistisch motivierten Schüsse auf einen Mann aus Eritrea im osthessischen Wächtersbach.

Verfassungsschutz-Präsident Robert Schäfer warnte eindringlich vor der "Neuen Rechten", die zwar nicht mehr so neu sei, aber innerhalb des Rechtsextremismus an Bedeutung gewonnen habe. "Insbesondere die Ideologie und Sprache, die von sogenannten Neuen Rechten ausgeht, kann zur Inspiration für gewaltorientierte Rechtsextremisten werden und den Impuls für Straftaten geben", sagte Schäfer. Außer der "Identitären Bewegung" stünden auch der AfD-"Flügel" und die JA der "Neuen Rechten" ideologisch nahe.

Das LfV geht davon aus, dass der "Flügel" in Hessen über ein Personenpotenzial von rund 600 und die JA von rund 50 verfügt. Zwar habe der "Flügel" im Frühjahr 2020 seine Auflösung bekannt gegeben, die Beobachtung gehe aber weiter, sagte Schäfer.

Auch wenn sich Islamisten vielfach aus dem öffentlichen Raum zurückgezogen und Moscheen als Treffpunkte an Bedeutung verloren hätten, sei die Gefahr islamistischer Anschläge keinesfalls gebannt, sagte Schäfer. In den sozialen Medien werde weiterhin dschihadistische Propaganda verbreitet - bis hin zu Anleitungen für Anschläge.

"Auch wenn den Sicherheitsbehörden derzeit keine konkreten Hinweise auf in Hessen geplante islamistische Anschläge vorliegen, besteht weiterhin die Gefahr, dass sich Einzelakteure von der IS-Propaganda zu Attentaten angespornt fühlen könnten", warnte der Verfassungsschutzchef. Der Islamismus habe 2019 im Bundesland mit 4170 Menschen genauso viele Anhänger gehabt wie im Vorjahr, davon würden 1650 Personen dem Salafismus zugerechnet.

Zum linksextremen Spektrum zählten die Sicherheitsbehörden im vergangenen Jahr in Hessen 2600 Männer und Frauen, 30 mehr als noch 2018. Es wurden 65 Straftaten (2018: 48) mit linksextremistischem Hintergrund registriert, darunter fünf Gewalttaten (2018: 13).

Die Proteste rund um den Weiterbau der Autobahn 49 in Mittelhessen würden bislang in weiten Teilen durch nicht-extremistische Umweltschützer getragen, erklärte Schäfer. "Ein Teil der Besetzer des Dannenröder Waldes ist jedoch dem linksextremistischen Spektrum zuzurechnen." Von diesen Gruppen gehe eine zunehmende radikalere Auseinandersetzung mit dem Thema einher, erklärte der Verfassungsschützer.

Dazu zählten die Fälle von gespannten Drahtseilen im Wald auf Kopfhöhe, Brandanschläge auf mehrere Bagger sowie die mehr als 200 mit einem roten X angesprühten Autos in Gießen, die laut Aktivisten "zum Abfackeln" markiert worden seien. Es müsse rund um die Proteste zur A49 jederzeit mit Aktionen gerechnet werden, bei denen Sachschäden und die Verletzung von Menschen zumindest in Kauf genommen würden, warnte Schäfer.

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