Extremismus:Polizisten angeklagt

Beamte sollen in Chatgruppe rechtsextreme Inhalte geteilt haben

Weil sie in mehreren Chatgruppen rassistische und volksverhetzende Inhalte geteilt haben sollen, hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt Anklage gegen vier Polizeibeamte und eine -beamtin des 1. Frankfurter Polizeireviers sowie die Lebensgefährtin eines Beamten erhoben. Die fünf Polizeiangehörigen im Alter von 31 bis 37 Jahren seien derzeit von ihren Dienstgeschäften befreit, teilte die Staatsanwaltschaft am Montag mit. Der Fall stehe im Zusammenhang mit den 2018 bekannt gewordenen "NSU 2.0"-Drohschreiben. Den Angeschuldigten werde das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Volksverhetzung, Gewaltdarstellung, Beschimpfung von religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnissen und Besitz sowie Verbreitung pornografischer Schriften zur Last gelegt.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen konkret vor, vom Oktober 2014 bis Oktober 2018 in insgesamt 102 Fällen überwiegend Inhalte mit Darstellungen von Adolf Hitler, Hakenkreuzen und weiteren NS-Symbolen sowie Verharmlosungen des Holocausts in die verschiedenen Chatgruppen eingestellt und vor allem Menschen mit Behinderungen, mit Migrationsgeschichte, mit dunkler Hautfarbe, Homosexuelle sowie Juden und Muslime verächtlich gemacht und verleumdet zu haben. Ferner sollen die Angeschuldigten Fotos und Videos mit pornografischen und gewaltverherrlichenden Inhalten übersandt haben. Sämtliche Inhalte sollen sie zuvor aus sozialen Netzwerken heruntergeladen oder von Dritten zugeschickt bekommen haben.

Die Ermittlungen waren den Angaben zufolge im August 2018 eingeleitet worden, nachdem der Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız ein anonymes, mit dem Kürzel "NSU 2.0" unterschriebenes Drohschreiben per Fax übersandt worden war. Die Ermittlungen hätten ergeben, dass kurz vor Versendung des Drohfaxes von einem Dienstrechner aus dem 1. Frankfurter Polizeirevier die Einwohnermeldeamtsdaten der Anwältin abgerufen worden waren und zum Abfragezeitpunkt eine dort diensthabende Polizeioberkommissarin, eine der Angeschuldigten, mit ihren Zugangsdaten eingeloggt gewesen sei. Im Zuge der Ermittlungen sind in Hessen eine ganze Reihe von Polizei-Chats mit rechtsextremen Inhalten öffentlich geworden.

Als Urheber der Drohschreiben gilt ein IT-Techniker aus Berlin. Im NSU-2.0-Prozess vor dem Landgericht Frankfurt wirft die Staatsanwaltschaft dem 54-Jährigen unter anderem Beleidigung in 67 Fällen, versuchte Nötigung und Bedrohung vor. Unter den Adressaten waren Privatpersonen und Personen des öffentlichen Lebens sowie Behörden. Häufig betroffen und heftigen Beleidigungen und Drohungen ausgesetzt waren Frauen, die öffentlich engagiert und erfolgreich sind. Der Angeklagte hat bestritten, die Schreiben verfasst zu haben. Im Prozess, der seit Februar läuft, sind bereits zahlreiche bedrohte Prominente als Zeugen aufgetreten.

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