Extremismus - München:Wiesnattentat: Forderung nach mehr Entschädigung für Opfer

Bayern
Florian Ritter (SPD) spricht im Bayerischen Landtag. Foto: Lino Mirgeler/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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München (dpa/lby) - Kurz vor dem 40. Jahrestag des Oktoberfestattentats haben Politiker und Opfervertreter die Forderung nach einer besseren Unterstützung der Betroffenen von damals erneuert. "Es ist beschämend, wenn Opfer und Hinterbliebene bis auf den heutigen Tag um eine angemessene Entschädigung kämpfen müssen", sagte der Abgeordnete der SPD-Fraktion im Landtag, Florian Ritter am Montag. Die Staatsregierung solle einen Fonds auflegen und mit den schon bestehenden Hilfen der Landeshauptstadt München abstimmen.

Bei dem schwersten rechts terroristischen Anschlag in der Geschichte der Bundesrepublik am 26. September 1980 starben 13 Menschen, darunter der rechte Attentäter Gundolf Köhler; mehr als 200 wurden verletzt. Am Samstag jährt sich die Tat zum 40. Mal.

Der Opferanwalt Werner Dietrich, der 2014 die Wiederaufnahme der Ermittlungen in Gang gebracht hatte, schrieb im Sommer an Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), dass man der Leidensgeschichte der Opfer, aber auch der Bedeutung des Ereignisses für München, den Freistaat und das Ansehen der Bundesrepublik nur gerecht werden könne, wenn für die noch lebenden Opfer "ein materieller Entschädigungsfonds mit großzügiger und schneller Auszahlung errichtet wird". Dietrich sieht neben Freistaat, Bund und Stadt, die schon Summen an die Opfer zahlte, auch die Wiesnwirte in der Pflicht.

Auch Überlebende erneuerten die Forderung nach Entschädigung. Es solle ein von Bund und Ländern getragener Opferfonds grundsätzlich für derartige Attentate errichtet werden, sagte der 52-jährige Robert Höckmayr. Er fürchtet: "Es wird nicht der letzte Anschlag bleiben." Es gehe aber nicht nur um Geld, sondern auch darum, die Menschen ins soziale Leben zu holen und zu fördern. Höckmayr hatte die Explosion überlebt. Zwei Geschwister starben. Die Eltern und zwei weitere Geschwister überlebten - die Schwester und der Bruder hätten die Folgen des Attentats nicht verarbeiten können und sich umgebracht.

Alexander Sasse, der 1980 als Sechsjähriger mit seinen schwer verletzten Eltern betroffen war und dessen Mutter ein Bein verlor, sagte, die Hilfe müsse denen zugutekommen, die sie wirklich bräuchten. Renate Martinez (73), die gehbehindert ist, sagte: "Wichtig ist vor allem die Anerkennung - wenn wir auch noch Geld bekommen, gut und schön." Wichtig war für sie, dass der rechtsextreme Hintergrund mit den neuen Ermittlungen klargestellt wurde.

Manche mussten wie Höckmayr und Martinez viele Operationen hinter sich bringen, manche brauchen Rollstuhl oder andere Hilfsmittel. "Was für die breite Öffentlichkeit Geschichte ist, ist für die Opfer noch heute ein täglicher Kampf im Umgang mit den Folgen des Attentats", sagte Ritter. "Die bisherige Entschädigung ist zu niedrig, und sehr viele Opfer mussten sich an die Sozialgerichte wenden." Die Geschehnisse sollten in Lehrpläne aufgenommen werden. "Das Attentat war politisch und historisch von einschneidender Bedeutung für die Geschichte der Bundesrepublik und Bayerns."

Der rechtsextreme Hintergrund war lange von den Behörden bestritten worden. Erst mit den neuen Ermittlungen kam die Bundesanwaltschaft zu dem Schluss, dass der Attentäter Gundolf Köhler die Bundestagswahl beeinflussen wollte sich einen Führerstaat und eine nationalsozialistisch-faschistische Diktatur wünschte.

Lange Zeit hatte vor allem die DGB-Jugend - neben dem Anwalt Dietrich und dem Journalisten Ulrich Chaussy - das Erinnern wach gehalten. Sie war es, die über Jahrzehnte das Gedenken weitgehend organisierte. Neben OB Reiter kommt nun erstmals Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wird sprechen - auch das eine Premiere. "Wir halten das Erinnern an rechten Terror für wichtig", sagte Jugendsekretär Kristofer Herbers. Immer wieder habe bei rechten Anschlägen Tote gegeben - mehrfach auch in München.

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