Extremismus - Kiel:Wöchentlich ein antisemitischer Vorfall im Norden

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Kiel (dpa/lno) - Schmierereien, Beleidigungen, Hetze im Internet - mehr als einen antisemitischen Vorfall in der Woche hat die neu eingerichtete Informations- und Dokumentationsstelle Antisemitismus in Schleswig-Holstein (Lida) im vergangenen Jahr registriert. Von Januar bis Oktober seien 51 Vorfälle dokumentiert worden, teilte die Stelle am Mittwoch mit. Antisemitismus erweise sich auch im Norden als ein komplexes Phänomen, das sich in unterschiedlichster Form und Intensität ausdrücke.

Ein Großteil der Vorfälle richte sich nicht gegen konkrete Einzelpersonen, sondern ereigne sich im öffentlichen Raum oder online, hieß es. Antisemitische Hetze äußere sich vielfach in Form von Schmierereien und Hetze im Internet.

"Bei jenen Vorfällen, die sich konkret gegen bestimmte Personen oder Institutionen richten, haben wir es vor allem mit antisemitischen Beleidigungen, Bedrohungen und gezielten Sachbeschädigungen zu tun", erläuterte Lida-Projektleiter Joshua Vogel. "Gerade die hohe Zahl niedrigschwelliger Vorfälle im öffentlichen Raum verweist auf die erschreckende Alltäglichkeit antisemitischer Vorfälle." Antisemitismus sei auch in Schleswig-Holstein nicht nur ein Randgruppen-Phänomen, sondern tief in der gesamten Gesellschaft verankert.

Landtagspräsident Klaus Schlie zeigte sich betroffen. "Jede Form von Antisemitismus richtet sich gegen unsere Verfassung und rüttelt an den Grundfesten der Menschlichkeit", sagte der CDU-Politiker. "Wir alle müssen die fundamentalen Werte unserer Verfassung und die Grundwerte unserer Gesellschaft schützen und verteidigen." Die bedrückenden Zahlen seien Auftrag und Mahnung zugleich, jeder Form von Antisemitismus gemeinsam entschieden entgegenzutreten. Alle Angriffe auf das jüdische Leben müssten öffentlich gemacht werden. Schlie rief die Bürger auf, der Dokumentationsstelle jeden Vorfall und jede Beobachtung zu melden.

Der erste Lida-Jahresbericht zeichne ein beunruhigendes Bild der Lage, sagte der SPD-Landtagsabgeordnete Tobias von Pein. Mitglieder der jüdischen Community sollten in Angst vor weiteren Taten versetzt und ausgegrenzt werden. "Es handelt sich um ein Phänomen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit", sagte von Pein.

Die Vorfälle belasteten Betroffene stark und sendeten Signale der Verunsicherung und Verängstigung in die jüdische Community, sagte der Grüne Lasse Petersdotter. "Antisemitismus profitiert immer auch von Menschen, die wegsehen." Das müsse ein Ende haben. "Je genauer wir auf jeden einzelnen Fall schauen, desto besser sind wir in der Lage, Mechanismen hinter den Angriffen zu erkennen und unsere Präventionsarbeit und Strategien gegen Antisemitismus dementsprechend auszubauen."

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