Extremismus - Halle (Saale):Tausende zeigen in Halle Solidarität mit Anschlagsopfern

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Halle (dpa/sa) - Nach dem Terroranschlag steht Halle im Kampf gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus zusammen: Bis zu 16 000 Menschen haben am Samstag auf dem Marktplatz gemeinsam mit dem Sänger Mark Forster gegen den Hass angesungen. Bei dem Konzert unter dem Motto "#HalleZusammen" sollte ein Zeichen für Toleranz, ein friedliches Miteinander und gegen Ausgrenzung gesetzt werden. "Wir sind heute hier, um mit unserer Liebe den Hass leise zu machen", sagte Forster. Die Menschen würden mit ihrer Teilnahme an dem Konzert beweisen, dass die Liebe "in der Überzahl" sei.

Nach dem gescheiterten Anschlag eines Antisemiten und Rassisten auf das jüdische Gotteshaus mit zwei Toten und zwei Schwerverletzten am 9. Oktober in Halle standen zahlreiche Künstler auf der Bühne im Zentrum der Stadt. Nach dem Auftakt mit dem Glockenspiel des Roten Turms übernahmen zunächst Musiker und Tänzer der Staatskapelle Halle und des Balletts. Wie Moderatorin Sissy Metzschke sagte, sollte das Konzert nicht nur an die Opfer erinnern, sondern auch einen Dank an die Polizei- und Rettungskräfte darstellen, die am Tag des Anschlags im Einsatz waren.

Beim Auftritt der Band Klan verteidigte Sänger Michael Heinrich die Veranstaltung. Ob es richtig sei, nur eineinhalb Wochen nach dem Terrorakt gemeinsam zu feiern, fragte er. Für ihn persönlich sei die Antwort eindeutig: "Gerade jetzt ist es total wichtig, die Angst loszulassen und zusammenzustehen", erklärte der Musiker. Die Solidarität, die die jüdische Gemeinde aus dem In- und Ausland erhalte, sei überwältigend, sagte der Vorsitzende, Max Privorozki.

Am Sonntag waren in der Synagoge Familien mit Kindern zusammengekommen, um Sukkot - vergleichbar mit dem Erntedank-Fest - zu begehen. "Wir lassen uns nicht einschüchtern", sagte Privorotzki. Im Kampf gegen Antisemitismus sei es wichtig, noch mehr als bisher und bereits von Kindheit an Wissen über das Judentum und dessen lange Geschichte zu vermitteln.

Eine 21-Jährige, Mitglied der Gemeinde und bei dem Anschlag in der Synagoge anwesend, beschrieb ihre Gefühle im herbstlich geschmückten Hof der Synagoge so: "Wir haben alle gezittert. Der Schock sitzt uns noch in den Knochen". Angesichts der Solidarität der Menschen habe sie die Hoffnung, dass es auch in Zukunft Menschen geben werde, die sich klar gegen rechtes Gedankengut positionieren und dagegen vorgehen. Ihren Namen will sie nicht nennen.

Per Videomonitor am Eingang des Gotteshauses sah sie am 9. Oktober mit an, wie der 27 Jahre alte Attentäter auf die Tür schoss. Wenig später erschoss er einen 20-Jährigen in einem Döner-Imbiss. "Ruhe in Frieden Kevin" ist auf einem großen Schild vor dem Geschäft lesen, ein Meer aus Blumen und Kerzen ist zu sehen. Ebenso vor der Synagoge, wo auch Fotos an die getötete Passantin erinnen. Zugleich heißt es: "Wir stehen zu Euch. Nie wieder rechter Wahnsinn" auf einer Schleife an einem Gebinde aus weißen Lilien. "Habt keine Angst. Wir sind bei Euch" schrieb offenbar ein Kind auf ein Schild, das neben einem Teddybär abgelegt wurde.

Ihre Ängste kann die junge Jüdin, die in der Synagoge saß, kaum in Worte fassen. Psychologische Hilfe werde sie brauchen. Dann holt die 21-Jährige tief Luft und sagt mit fester Stimme: "Es ist wichtig, dass wir alle zusammenhalten, dass wir Gesicht zeigen und etwas gegen Extremismus tun. Wir wollen nicht still sein". Aktionen wie das Konzert seien wichtig.

Das war innerhalb weniger Tage von verschiedenen Medienunternehmen und der Stadt organisiert worden. Neben Forster und Klan traten etwa auch Alice Merton und Max Giesinger auf. Der Slogan "#HalleZusammen" erinnerte an den Wahlspruch "Nur zusammen" der Anhänger des Fußball-Drittligisten Hallescher FC, zu dessen Fans auch das 20 Jahre alte Todesopfer des Attentäters gehörte.

Um sich von dem jungen Mann zu verabschieden, hatten sich am Freitag rund 300 Menschen in der Merseburger Stadtkirche St. Maximi versammelt, darunter zahlreiche Fans des Drittliga-Fußballvereins Hallescher FC. Schon lange vor Beginn der Trauerfeier hatten Dutzende HFC-Anhänger vor der Kirche ausgeharrt. An dem in eine rot-weiße HFC-Fahne gehüllten Sarg im Innern der Kirche legten die Trauernden Blumen und Kränze nieder. Die Trauerfeier wurde auf eine Leinwand vor der Kirche übertragen.

Für die Fans ergriff Heiko Portius auf der Veranstaltung das Wort. "Eine ganze Stadt, ein ganzer Verein und seine Unterstützer stehen still angesichts dieses Verbrechens." Portius, Stadionsprecher in der HFC-Arena in der Kantstraße, beschrieb den 20-Jährigen als glühenden Anhänger des HFC, der versuchte, bei allen Spielen seines Vereins dabei zu sein. Der junge Merseburger werde immer in der Mitte der Fanvereinigung sein: Das Motto der Fans - "Nur zusammen" - gelte nun mehr denn je.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff erklärte, der rechtsextreme Terror sei nicht nur in Sachsen-Anhalt zu lange unterschätzt worden. Der CDU-Politiker erinnerte an die Mordserie des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) und den Mord an dem CDU-Politiker Walter Lübcke. Zugleich beklagte Haseloff die zunehmende Verrohung der Sprache im politischen Diskurs, die inzwischen auch oft zu Gewalt führe.

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