Extremismus - Halle (Saale):Jüdische Gemeinde: Antisemitismus zu lange klein geredet

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Frankfurt/Main (dpa/lhe) - Als "Fanal für die Umstände in Deutschland" hat der Vorstand der Jüdischen Gemeinde Frankfurt den Anschlag auf die Synagoge in Halle bezeichnet. "Viel zu lange wurde der Antisemitismus klein geredet und nur in einen historischen Kontext gesetzt", hieß es in einer am Donnerstag in Frankfurt veröffentlichten Stellungnahme. Judenhass sei real und aktuell. Der Anschlag sei kein Weckruf, sondern ein Zeichen von Versäumnissen.

"Genug Alarmsignale hat es gegeben, zu lange wurden sie überhört. Antisemitismus muss nun endlich mit allen rechtsstaatlichen Mitteln tatkräftig entgegengetreten werden", forderte der Gemeindevorstand der größten jüdischen Gemeinde Hessens. Solidaritätsbekundungen müssten konkrete Handlungen folgen.

Auch der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt, Meron Mendel, sah den Anschlag vom Mittwoch "in einer Kontinuität rechten Terrors" in Deutschland. "Der Anschlag von Halle kann niemanden ernsthaft überraschen, der sich in den vergangenen Jahren mit rechtsextremistischen Strukturen beschäftigt hat", sagte Mendel am Donnerstag. "Wer jetzt von einem Einzeltäter spricht, verkennt, dass er sich weit verbreiteter rechtsextremer Narrative bedient, die den Nährboden für Gewalt bereiten."

Die Hetze in den Sozialen Medien und die Übernahme rechter Begriffe und verschwörungstheoretischer Motive durch die Politik erreichten auch insbesondere Jugendliche, mahnte Mendel. Wichtig sei daher, junge Menschen zu stärken, um rechte Parolen kritisch hinterfragen zu können. "Diesen Prozess der Radikalisierung müssen wir stoppen, noch ehe er begonnen hat, indem wir jungen Menschen eine klare demokratische Haltung vermitteln", sagte Mendel.

Die Brutalität des Vorgehens in Halle zeige, "in welchem Zustand sich unser Land und unsere Gesellschaft befindet", hieß es in einer Reaktion des hessischen Antisemitismusbeauftragten Uwe Becker (CDU). "Die Gesellschaft muss aufwachen und aufstehen gegen jegliche Form der Judenfeindlichkeit in unserem Land."

Die vorderste Aufgabe des Staates sei es, seine Bürgerinnen und Bürger, egal welcher Religion sie angehörten, zu schützen. Dies sei in Halle nicht ausreichend passiert, sagte Becker.

"Die Sicherheit und der Schutz jüdischer Einrichtungen haben eine herausgehobene Bedeutung für die Hessische Landesregierung", sagte der Sprecher des hessischen Innenministeriums. Die Schutzmaßnahmen für jüdische Einrichtungen in Hessen seien bereits nach Bekanntwerden des Anschlags in Halle verstärkt worden.

Der katholische Bischof von Fulda, Michael Gerber, gab zu bedenken: "Die Tat die Halle wirft viele Fragen auf, wie es um den Schutz des jüdischen Lebens in unserem Land bestellt ist."

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