Extremismus - Gera:"Wie in einem Hollywoodfilm": Zeugen zu Überfall auf Fans

Deutschland
Vier Angeklagte und ihre Verteidiger zu Beginn des Prozesses im Schwurgerichtssaal des Landgerichts. Foto: Bodo Schackow/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Gera (dpa/th) - Im "Jungsturm"-Prozess vor dem Landgericht Gera haben Zeugen geschildert, wie sie einen Überfall von mutmaßlichen Erfurter Hooligans auf Fans des FC Carl Zeiss Jena auf dem Bahnhof in Gotha erlebt haben. "Das war wie in einem Hollywoodfilm", sagte ein Beamter der Landespolizei am Donnerstag in Gera vor der Staatsschutzkammer des Gerichts. Er war im Juli 2019 als szenekundiger Beamter mit den Jena-Fans unterwegs, als diese attackiert wurden. Sie befanden sich damals auf der Rückreise von einem Auswärtsspiel ihrer Mannschaft in Münster. Ihr Zug hatte am späten Abend einen kurzen Aufenthalt in Gotha.

Er sei aus dem Zug gestiegen und habe beim Blick nach links nichts Ungewöhnliches auf dem Bahnsteig gesehen, sagte der Polizist. Als er nach rechts geschaut habe, seien 30 bis 40 Rot-Weiß-Vermummte auf die Jena-Fans zugestürmt. Dann sei auf dem Bahnhof Panik ausgebrochen, es sei viel geschrien worden. Die Jena-Fans seien von dem Überfall völlig überrascht gewesen. "Die waren auf keinen Angriff eingestellt, absolut nicht", sagte der Polizist.

Ohnehin seien die Jena-Fans zu dem Zeitpunkt bereits sehr erschöpft gewesen. Sie seien bereits am frühen Morgen in Jena aufgebrochen, es sei für sie alle ein langer Tag gewesen, zudem hätten viele von ihnen bereits Alkohol getrunken gehabt. Während der Zugfahrt hätten viele von ihnen schon geschlafen. Ein weiterer szenekundiger Beamter der Bundespolizei, der die Jena-Fans damals gemeinsam mit dem Thüringer Polizisten begleitete, bestätigte die Angaben.

Die Staatsanwaltschaft wirft vier heute 21 bis 29 Jahre alten Angeklagten zahlreiche Straftaten vor, darunter sind Bildung einer kriminellen Vereinigung, Raub und gefährliche Körperverletzungen. Unter anderem sollen sie Mitglieder einer Fangruppierung namens "Jungsturm" sein, die dem Fußballclub Rot-Weiß Erfurt zugerechnet wird.

Nach den Erkenntnissen der Ermittler handelt es sich dabei um einen Zusammenschluss nicht nur gewaltbereiter, sondern auch rechtsgerichteter Fußballfans. Die vier Männer sollen nach Angaben der Staatsanwaltschaft auch an dem Überfall in Gotha teilgenommen haben. Zum Prozessauftakt hatten sie zu den Vorwürfen geschwiegen.

Die zwei szenekundigen Beamten sagten, das Geschehen auf dem Bahnhof in Gotha sei unmittelbar nach Beginn des Angriffs sehr dynamisch gewesen. Menschengruppen seien hin und her gerannt. Der erste Angriff habe etwa fünf Minuten gedauert. Dann seien die Angreifer zunächst zurückgedrängt worden. Diese hätten sich dann erneut gesammelt und einen weiteren, etwa zwei Minuten dauernden Angriff durchgeführt, ehe sie sich endgültig zurückgezogen hätten.

Eine weitere Verfolgung der Angreifer durch die Jena-Fans sei erfolglos geblieben - auch wegen der schlechten Lichtverhältnisse am Bahnhof. "Ab Bahnsteigende war's dann schwarz wie die Nacht", sagte der Polizist. Sogenannte szenekundige Beamte beschäftigen sich intensiv mit Straftaten im Fußballbereich und sollen gleichzeitig polizeiliche Ansprechpartner für die Fans sein.

Zur Frage, auf wie viele Jena-Fans der Angriff auf dem Bahnhof in Gotha erfolgte, gab es unterschiedliche Angaben. Nachdem es bislang hieß, der Überfall sei auf bis zu 150 Menschen erfolgt, erklärten die Polizisten übereinstimmend, in dem Zug hätten sich etwa 160 Menschen befunden. Allerdings sagte der Bundespolizist, von diesen hätten sich zumindest zunächst nur etwa 20 bis 30 außerhalb des Zugs zum Rauchen befunden, als der Angriff begann.

Das Landgericht hat bis in den März hinein noch 24 Verhandlungstage angesetzt. Dabei soll es im weiteren Verlauf auch um verabredete Schlägereien gehen, an denen sich die Beschuldigten beteiligt haben sollen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: