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Extremismus - Gera:Telefonate im "Jungsturm"-Prozess: "Versuchter Totschlag"

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Gera (dpa/th) - Im "Jungsturm"-Prozess vor dem Landgericht Gera hat auch der letzte der vier Angeklagten wesentliche Vorwürfe der Staatsanwaltschaft eingeräumt. Er habe unter anderem an den Überfällen auf Fans des FC Carl Zeiss Jena an den Bahnhöfen in Saalfeld 2018 und Gotha 2019 teilgenommen, erklärte der Verteidiger für seinen 29 Jahre alten Mandanten am Donnerstag in Gera. Auch an Hooligan-Schlägereien mit Fans anderer deutscher Fußballvereine habe er sich beteiligt. Allerdings habe er diese als sportliche Auseinandersetzung verstanden, die nach festen Regeln und durch Schiedsrichter überwacht stattgefunden hätten. Dass diese Schlägereien möglicherweise strafbar sein könnten, habe sein Mandant sich "nie im Leben träumen lassen", sagte der Verteidiger.

Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten eine ganze Reihe von Straftaten vor. Vor allem sollen sie eine kriminelle Vereinigung - den sogenannten "Jungsturm" - gebildet haben. Sie sollen sich bei Angriffen auf Jenaer Fußballfans ferner des Raubs und der gefährlichen Körperverletzungen schuldig gemacht haben. Der "Jungsturm" ist eine Gruppierung aus dem Umfeld des Fußballclubs Rot-Weiß Erfurt, in der sich nach Einschätzung der Ermittler nicht nur gewaltbereite, sondern auch rechtsgerichtete Fußballfans sammeln.

Sein Mandant habe sich nicht einer kriminellen Vereinigung anschließen wollen, sagte der Verteidiger des 29-Jährigen. Sollte das Gericht den "Jungsturm" als eine solche bewerten, dann tue ihm seine Mitgliedschaft darin leid. Die anderen drei Angeklagten hatten einige der Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gegen sie bereits eingeräumt. Der 29-Jährige war zuletzt der einzige Angeklagte, der noch in Untersuchungshaft sitzt. Nach der Erklärung seines Verteidigers kündigte der Vorsitzende Richter der Staatsschutzkammer eine Haftprüfung für den Mann an.

Telefonate, die die Polizei im Zuge der Ermittlungen gegen die Angeklagten abgehört hatte, zeigten, dass sich "Jungsturm"-Mitglieder und -Sympathisanten nicht nur - wie behauptet - über Choreographien und Feste austauschten. In einem vor Gericht vorgespielten Telefongespräch von Anfang 2020 war zu hören, wie sich zwei Männer über den Überfall auf die Jena-Fans in Gotha unterhalten. "Ich hoffe nur, dass die wegen Gotha nichts finden", sagt einer der Männer dabei. Die an diesem Überfall Beteiligten "haben auf jeden Fall Probleme". "Das wäre schon versuchter Totschlag", sagt einer der Männer in diesem Zusammenhang.

© dpa-infocom, dpa:210210-99-385626/4

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