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Extremismus - Frankfurt am Main:Zeugin im Lübcke-Prozess: H. rechtsextremer Waffennarr

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Frankfurt/Main (dpa) - Der Mitangeklagte im Prozess zum Mordfall Walter Lübcke ist von seiner früheren Lebensgefährtin als rechtsextremer Waffennarr beschrieben worden. Markus H. habe NS-Devotionalien wie einen Gürtel mit Hakenkreuzschnalle gehabt, sagte die 31-Jährige am Donnerstag vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main. Waffen seien sein Hobby gewesen, er habe zahlreiche besessen und sich im Internet über Waffenbau informiert. Die Zeugin und H. waren bis Mitte 2017 rund zwei Jahre lang ein Paar und haben eine Tochter. Zur Rolle von Markus H. bei der Tat liegen widersprüchliche Angaben des Hauptangeklagten Stephan Ernst vor.

Ernst soll Kassels Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Juni 2019 aus rechtsextremistischen Motiven erschossen haben. Nachdem er die Tat zunächst eingeräumt hatte, bezeichnete er später H. als Schützen. In einem dritten Geständnis vor Gericht räumte Ernst die Tat ein, belastete aber auch H., der ihn begleitet habe.

Ernst und H. seien gute Kumpel gewesen und zusammen zu Veranstaltungen gegangen, wie der Bürgerversammlung in Lohfelden, die Ausgangspunkt für den späteren Mord gewesen sein soll, sagte die Zeugin. Lübcke hatte dort die Aufnahme von Flüchtlingen verteidigt und gesagt: "Da muss man für Werte eintreten, und wer diese Werte nicht vertritt, der kann jederzeit dieses Land verlassen, wenn er nicht einverstanden ist, das ist die Freiheit eines jeden Deutschen." H. habe ihr anschließend ein Video dieser Aussage gezeigt und sei "aus der Haut gefahren". Danach habe er davon gesprochen, Lübcke müsse aufgehängt werden. Auch Ernst habe sich sehr aufgeregt.

Die Zeugin schilderte eine ausländerfeindliche und antisemitische Einstellung von H.. Unter anderem zitierte sie ihn mit den Worten, wenn er einmal erfahre, dass er lebensbedrohlich krank sei, werde er sich einen Sprengstoffgürtel bauen, um viele Ausländer mit in den Tod zu reißen. Täglich habe er sich mit Politik beschäftigt und die Bundesregierung für die Aufnahme von Flüchtlingen kritisiert.

Zum Verhältnis zwischen Ernst und H. äußerte sich die 31-Jährige widersprüchlich. Hatte sie in ihrer Vernehmung bei der Polizei noch von dicker Freundschaft berichtet, schränkte sie dies nun ein, erklärte aber zugleich, beide seien für einander da und politisch auf einer Linie gewesen. Die Zeugin bezeichnete sich diesbezüglich auf Nachfrage ebenfalls als rechts eingestellt, sagte aber, sie lehne jede Gewaltbereitschaft ab. H. habe berichtet, auch illegale Waffen zuhause zu haben, zudem habe er Chemikalien auf ihren Namen im Internet bestellt. Die 31-Jährige erklärte auch, H. habe aus Sorge vor Überwachung durch den Staat nur bestimmte Internetdienste benutzt und sich Pseudonyme zugelegt.

Zwischen der Zeugin und H. gibt es juristische Auseinandersetzungen um das Umgangsrecht und das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter; zuletzt entschieden die Gerichte in ihrem Sinn, solange sich H. in Haft befindet. Die Frage der Verteidigung von H., ob die Zeugin mit ihren Aussagen H. bewusst in schlechtes Licht rücken wolle, verneinte diese.

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