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Extremismus - Falkensee:Auftritt von Verschwörungsideologen löst Protest aus

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Falkensee (dpa/bb) - Ein geplanter Auftritt eines Anhängers von Verschwörungsmythen in der Stadthalle in Falkensee westlich von Berlin hat Proteste ausgelöst. Ein Bürger-Bündnis kündigte eine Kundgebung am Samstagabend in der Stadt an. Das Internationale Auschwitz Komitee forderte, die Stadthalle dürfe für Verschwörungsideologen nicht zur Verfügung stehen. Zuvor hatten der "Tagesspiegel" und die "Märkische Allgemeine Zeitung" berichtet.

Die 45 000 Einwohner-Stadt kam 2022 in die Schlagzeilen im Zusammenhang mit einer extremistischen Gruppe, die die Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und einen Umsturz geplant hatte. Einer der Hauptbeschuldigten kam laut Ermittlungsbehörden aus Falkensee. Dort hat auch das Magazin "Compact" seinen Sitz, das das Bundesamt für Verfassungsschutz als erwiesen rechtsextremistisch einstuft.

Laut Bürgermeister Heiko Müller (SPD) ist Friedemann Mack am Samstagabend zu Gast bei einer Party mit bis zu 1200 Gästen in der Stadthalle. "Allerdings ist auch unsere Einschätzung, dass die Veranstaltung durch diese Person signifikant geprägt wird", hieß es von der Stadtverwaltung. Geworben wird für die Veranstaltung, für die Tickets verkauft wurden, mit dem Titel "Meet an Greet mit Mäckle macht gute Laune. Feiern bis der Arzt kommt".

Mack gilt als Akteur der QAnon-Szene, er ist auf Telegram recht aktiv. Er betreibt mehrere Kanäle und Gruppen, wobei unklar ist, ob er diese zusammen mit anderen Leuten betreibt. Ein Hauptkanal auf Telegram hat rund 127 000 Abonnenten.

QAnon ist eine Gruppe, die vor allem im Internet Verschwörungsmythen verbreitet, bei denen laut Verfassungsschutz auch Bezüge zum Antisemitismus bestehen. Dem Verfassungsschutz zufolge gehört zu den Annahmen von QAnon, dass es sowohl in den USA als auch in der restlichen Welt einen "Deep State" (deutsch: "Tiefen Staat") gäbe, der unter anderem die Banken und die Regierungsadministrationen gezielt unterwandert habe.

"Wir befürchten, dass Falkensee sich etabliert als rechter Vorort von Berlin", sagte der Falkenseer Stadtverordnete der Linken, Eric Heidrich, der zum "Bündnis gegen Rechts" gehört, der dpa. Auch andere Anhänger von Verschwörungsideologen seien bereits in der Stadt aufgetreten. Das Bürger-Bündnis schreibt auf seiner Internet-Seite, es sei nicht angebracht, "die Stadthalle als öffentliche Bühne für Antisemitismus und Verschwörungsideologien zur Verfügung zu stellen und diese damit für die Allgemeinheit quasi zu legitimieren". Heidrich rechnete mit 200 bis 300 Teilnehmern bei der Protestkundgebung am Samstag.

Mack, der aus Baden-Württemberg kommt, sagte der dpa, er sei eingeladen worden nach Falkensee, und es werde dort nur gefeiert und getanzt. "Es geht nicht um ein politisches Thema. Ich bin auch kein QAnon-Sektenmitglied." Bei der Party in Falkensee seien politische Symbole wie etwa Fahnen auch nicht erlaubt, sagte Mack, der sich am Telefon vor allem kritisch zu Einschränkungen in der Corona-Krise und zur Impfung gegen das Coronavirus äußerte.

Bürgermeister Müller teilte mit, dass eine Bewerberin für die Bürgermeisterwahl in diesem Jahr die Stadthalle für die Party mit Mack am Samstagabend gemietet habe. "Da grundsätzlich Räume in der Verantwortung der Stadtverwaltung Falkensee einschließlich der Stadthalle Falkensee auch für politische Veranstaltungen vermietet werden, wäre eine Nichtvermietung an Frau Stumpenhusen ein klarer Verstoß gegen Gleichbehandlungsgrundsätze insbesondere auch im Wahlrecht." Eine Zensur der Inhalte oder Gäste wäre mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, teilte Müller schriftlich mit. Heike Stumpenhusen, die laut "Märkischer Allgemeiner Zeitung" für die Partei Die Basis bei der Bürgermeisterwahl antreten will, wollte auf Nachfrage am Mittwoch nicht mit Medien sprechen.

Der Exekutiv-Vizepräsident des Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, forderte dagegen den Bürgermeister von Falkensee und alle dort Verantwortlichen auf, "jede rechtliche Möglichkeit zu nutzen, diesem die Demokratie zerstörenden Spuk" Einhalt zu gebieten". Es sei für Überlebende des Holocaust unerträglich, dass einem Propagandisten dieser Bewegung eine Stadthalle in Deutschland für die Verbreitung seiner kruden Hetze zur Verfügung gestellt werde. "Die QAnon-Bewegung, zu der Herr Mack sich öffentlich bekennt und für die er Propaganda betreibt, ist mittlerweile weltweit als antisemitische und antidemokratische Hetz- und Lügenkampagne bekannt", teilte Heubner mit.

Der brandenburgische Verfassungsschutz hatte in seinem Bericht 2021 geschrieben, dass auch Brandenburger an der Verbreitung von QAnon-Inhalten im Internet beteiligt gewesen seien. Verfassungsschützer gehen davon aus, dass der Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 den Glauben an Verschwörungstheorien verstärkt hatte.

© dpa-infocom, dpa:230215-99-605572/4

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