Extremismus - Erfurt:Innenministerkonferenz: Bewegung bei Vorratsdaten

Deutschland
Lorenz Caffier (CDU) bei einem Pressegespräch zum Abschluss der Innenministerkonferenz. Foto: Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa (Foto: dpa)

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Erfurt (dpa) - Bei der Aufnahme kranker minderjähriger Migranten aus Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln wollen viele Bundesländer mitziehen. "Die Verhältnisse auf den Inseln sind nach wie vor erschütternd", sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zum Abschluss des dreitägigen Treffens der Innenminister von Bund und Ländern am Freitag in Erfurt.

Deutschland will nach einem Koalitionsbeschluss neben den kranken Minderjährigen auch enge Angehörige aufnehmen, laut Seehofer insgesamt rund 900 Menschen. Interesse hätten etwa Bayern, Bremen, Hamburg, Berlin, Thüringen und vielleicht auch Baden-Württemberg.

Weitere Beschlüsse im Detail:

MIGRATION: Geflüchtete, die wegen der Corona-Pandemie ihren Job oder Ausbildungsplatz verloren haben, sollen nach dem Willen der Minister nicht abgeschoben werden.

POLIZEI-STREIT: Nach der Auseinandersetzung um Regeln für auswärtige Polizisten bei Einsätzen in der Hauptstadt erklärte der Sprecher der Unionsinnenminister, Lorenz Caffier (CDU) aus Mecklenburg-Vorpommern, er halte das Thema nun für abgeräumt. Man habe sich auf eine schriftliche Bestätigung von Berlin einigen können, "so dass unsere Beamten vollständig von dem Berliner Gesetz ausgeschlossen sind". Die Entsendung von Polizisten nach Berlin solle weiter möglich sein. Das neue Berliner Antidiskriminierungsgesetz soll Menschen vor Diskriminierung von Seiten der Behörden schützen und Klagen erleichtern.

Minister von CDU und CSU fürchteten Nachteile für ihre Beamten und hohen bürokratischen Aufwand und sprachen von einem Generalverdacht gegen die Polizei. Der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) will nun schriftlich klarstellen, dass das Berliner Gesetz "nur für Berlin gilt" und bekräftigen, dass es keine Regressforderungen an andere Länder geben werde. Das Land Berlin hafte auch im Fall einer vor Gericht nachgewiesenen Diskriminierung durch auswärtige Polizisten.

SYRIEN: Deutschland schiebt weiterhin keine Menschen in das Bürgerkriegsland Syrien ab. Die Minister verlängerten den 2012 erstmals verhängten Abschiebestopp um ein weiteres halbes Jahr.

CORONA: Die Innenminister wollen ihre Strukturen bei der Krisenzusammenarbeit von Bund und Ländern nach den Erfahrungen mit der Corona-Pandemie überprüfen. Konferenzchef Georg Maier (Thüringen, SPD) erklärte, die Zusammenarbeit der Krisenstäbe mit den jeweiligen Gesundheitsressorts habe gut funktioniert - vor allem bei der schnellen Eindämmung der ersten Infektionswelle sowie der medizinischen Versorgung.

Maier sagte, ihn und seinen Ressort-Kollegen bereite Sorgen, dass Extremisten während der Corona-Krise versucht hätten, Demonstrationen zu unterwandern. "Wir können jetzt aber feststellen, das Versammlungsgeschehen ist jetzt wieder rückläufig." Bis zur nächsten Innenministerkonferenz im Herbst soll ein Sonderlagebild "Gefahren- und Risikopotenzial insbesondere durch Extremisten und fremde Dienste" erarbeitet werden.

RECHTSTERRORISMUS: "Unsere Demokratie ist zurzeit stark unter Druck, und dieser Druck kommt aus dem rechtsextremistischen Bereich", sagte der Minister Maier. Bis zur Frühjahrskonferenz 2021 sollen weitere mögliche Maßnahmen erarbeitet werden, wie man Extremismus und Terrorismus noch besser bekämpfen kann. In jedem Fall will man rechtsextreme Gefährder früher erkennen - vor allem im Internet.

KINDERPORNOGRAFIE UND KINDESMISSBRAUCH: Ermittlungen im Bereich der Kinderpornografie und des Kindesmissbrauchs sollen aus Sicht der Innenminister mit Hilfe von Vorratsdatenspeicherung erleichtert werden. Bei der Vorratsdatenspeicherung werden Anbieter gesetzlich verpflichtet, die Telefon- und Internetverbindungsdaten der Nutzer zu speichern, so dass Ermittler später darauf zugreifen können. Derzeit steht dem die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im Wege. Ein neues Urteil wird für die kommenden Monate erwartet, nach Angaben Seehofers erhofft man sich davon "Spielräume".

Außerdem wollen die Innenminister Verdächtige im Bereich des schweren Kindesmissbrauchs leichter in Untersuchungshaft bringen. Sexueller Missbrauch von Kindern, der entweder als schwer eingestuft wird oder zum Tod führt, sei mit Totschlag vergleichbar, heißt es im Beschluss. Solchen Taten liege eine "kinderfeindliche und menschenverachtende Gesinnung" zugrunde. Sie fordern eine Änderung der Strafprozessordnung.

HASS UND HETZE: Die Minister machen sich für neue Vorgaben stark, die die strafrechtliche Verfolgung von Menschen erleichtern sollen, die im Internet Hassbotschaften verbreiten. Auch hierzu wollen sie die Vorratsdatenspeicherung wieder einführen.

Sie fordern zudem das Bundesinnenministerium auf, hierzu ein Gesetz zur besseren Identifizierbarkeit von Tätern vorzubereiten. Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern haben dazu eine Initiative im Bundesrat gestartet, die vorgeschlagen haben, Nutzer von sozialen Netzwerken und Gaming-Plattformen zu verpflichten, bei der Registrierung Namen, Anschrift und Geburtsdatum anzugeben. Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) betonte, es gehe nicht um eine Pflicht, online den eigenen Klarnamen zu verwenden, sondern darum, dass Ermittlungsbehörden bei Straftaten schnell solche Daten erfahren könnten.

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