Extremismus - Erfurt:"Combat 18"-Verbot: Razzia bei führenden Thüringer Neonazis

Deutschland
Ein Polizeiwagen bei einer Durchsuchung vor einem Haus in Eisenach. Foto: Stefan Hantzschmann/dpa-Zentralbild/dpa (Foto: dpa)

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Erfurt (dpa/th) - Rund 80 Polizisten haben am Donnerstag die Wohnungen von zwei Mitgliedern der rechtsextremen Vereinigung "Combat 18" durchsucht. Am Morgen wurde bekannt, dass das Bundesinnenministerium die Neonazi-Gruppe verbot. Die beiden Männer in Thüringen sind "Führungsfiguren" der Gruppierung, wie das Thüringer Innenministerium mitteilte. Einer der beiden, Stanley R., gilt sogar als Rädelsführer. Ihn hatte die Polizei von seinem Arbeitsplatz abgeholt und zu seiner Wohnung am Stadtrand von Eisenach gebracht.

An dem gelb gestrichenen Haus steht sein Name am Klingelschild in altdeutscher Schrift. Nichts weiter deutet darauf hin, dass dort ein Rechtsextremist wohnt. Auch den Nachbarn war der 43 Jahre alte R. nicht weiter aufgefallen. Einige wollen sich lieber gar nicht zu dem Thema äußern.

Zuvor hatte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zum Vorgehen gegen "Combat 18" gesagt: "Das heutige Verbot ist eine klare Botschaft: Rechtsextremismus und Antisemitismus haben in unserer Gesellschaft keinen Platz." Nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden richtet sich die gewaltbereite Vereinigung gegen die verfassungsmäßige Ordnung, "da sie mit dem Nationalsozialismus wesensverwandt ist". Insgesamt 210 Polizisten durchsuchten am Donnerstagmorgen acht Wohnungen in sechs Bundesländern.

Auch in Erfurt - im Ortsteil Vieselbach - durchsuchten die Beamten eine Wohnung in einem Mehrfamilien-Fachwerkhaus. Sie gehört zu einem 39-Jährigen, der laut Sicherheitskreisen als Stellvertreter von R. gilt. Es werde nach allem, was mit dem Verein "Combat 18" zu tun habe, gesucht, sagte eine Polizeisprecherin: "Das können Dokumente, Datenträger oder auch Geld sein." Am Ende stellen die Beamten in den beiden Wohnungen laut Innenministerium unter anderem Datenträger und Werbemittel wie T-Shirts mit "Combat 18"-Bezug sicher.

Die rechtsextreme Organisation gilt als bewaffneter Arm des in Deutschland verbotenen Neonazi-Netzwerks "Blood and Honour" (Blut und Ehre). Sie hat ihren Ursprung in Großbritannien und ist in mehreren europäischen Ländern aktiv. "Combat 18" bedeutet "Kampfgruppe Adolf Hitler". Die Zahl "18" ist ein Szenecode für den ersten und den achten Buchstaben im Alphabet, also A und H - die Initialen von Adolf Hitler. Symbol der Gruppe, die sich auf einen "Rassenkrieg" vorbereitet, ist der Drache. Gegen die Verbotsverfügung kann die Gruppe binnen eines Monats Klage beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einreichen.

Innenminister Georg Maier (SPD) sagte, die betroffenen Personen seien den Thüringer Sicherheitsbehörden seit Längerem bekannt. Auch das Landesamt für Verfassungsschutz habe "Combat 18" im Blick gehabt. Ob auch nachrichtendienstliche Mittel eingesetzt wurden, wollte Maier zunächst nicht sagen. "Der Vollzug des Vereinsverbotes gegen Combat 18 Deutschland ist eine wichtige Maßnahme im Kampf gegen den Rechtsextremismus", erklärte Maier, der auch Chef der Innenministerkonferenz ist. Schon im Thüringer Verfassungsschutzbericht 2018 ist die Rede davon, dass die "maßgeblichen Führungsfiguren" von "Combat 18" in Thüringen wohnen.

Eisenachs Oberbürgermeisterin Katja Wolf (Linke) zeigte sich bestürzt. "Das geht einem schon nahe. Wir haben in Eisenach eine starke rechtsradikale Vernetzung. Ich bin über das Verbot von "Combat 18" sehr froh", sagte die Linke-Politikerin, die sich geweigert hatte, den 2014 neu gewählten Stadträten der rechtsextremen NPD die Hand zu geben. In Eisenach befindet sich die Landesgeschäftsstelle der Thüringer NPD.

Maier machte klar, dass er auch weitere Verbote von rechtsextremen Organisationen für möglich hält. "Wenn es erforderlich ist, werden wir weitere Organisationen verbieten", sagte der 52-Jährige. Nicht nur wegen der Nähe zu "Blood and Honour" sei ein Verbot von "Combat 18" wichtig gewesen. Es seien beim Attentat auf den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke auch Zusammenhänge zu "Combat 18" hergestellt worden, sagte Maier.

Die Grünen-Abgeordnete Madeleine Henfling bezeichnete das Verbot als "längst überfällig". Die Linke-Sprecherin für Antifaschismus Katharina König-Preuss kritisierte, dass es sich um ein "Verbot mit Ansage" handele, auf das sich die Rechtsextremen aus ihrer Sicht vorbereiten konnten. "Ein Verbot zerstört weder die Ideologie, noch verhindert es extrem rechte Akteure oder deren Aktivitäten, es eröffnet der Polizei aber Handlungsspielräume, um effektiver gegen das Netzwerk vorzugehen", meinte König-Preuss.

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