Süddeutsche Zeitung

Extremismus - Dresden:"Zeichen setzen" Solidaritätsbekundung vor Dresdner Synagoge

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Dresden (dpa/sn) - Nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle hat Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) die Bürger dazu aufgerufen, sich schützend vor die jüdischen Gemeinden im Freistaat zu stellen. Um ein "deutliches Zeichen" zu setzen, wolle er für Freitagabend eine Versammlung vor der Dresdner Synagoge anmelden, kündigte Wöller am Donnerstag an. Er forderte die Menschen auf, es in Chemnitz und Leipzig gleichzutun. Der Kampf gegen Rechtsextremismus müsse aus der Mitte der Gesellschaft bekommen.

Auch Kirchen, der Rektor der TU Dresden und Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) riefen zu einer Solidaritätskundgebung um 17.30 Uhr vor dem jüdischen Gotteshaus in Dresden auf. Hilbert mahnte, Stellung zu beziehen. "Rassismus und Antisemitismus, ob anonym im Netz oder mit offener, grausamer Gewalt wie in ‎Halle, sind Hauptfeinde unserer Demokratie. Wir dürfen nach diesem Anschlag nicht zum Alltag ‎übergehen, sondern der Einsatz für die Würde und Unversehrtheit aller Menschen muss unser Alltag sein."‎

Der für Religionsangelegenheiten zuständige Kultusminister Christian Piwarz (CDU) sagte den jüdischen Gemeinden Unterstützung zu. "Die menschenverachtende Tat dieses Antisemiten und Hasstäters macht mich sprachlos", schrieb er in einem Brief. Darin versicherte er, alles dafür zu tun, "dass Juden in Sachsen ohne Angst ihre Gottesdienste besuchen können und ihre Kinder in Kindertageseinrichtungen und Schulen sicher sind". Es sei ihm Herzensanliegen, "jüdisches Leben nicht nur abzusichern, sondern dafür Sorge zu tragen, dass jüdisches Leben in Sachsen lebenswert bleibt".

Am Mittwoch hatte ein schwerbewaffneter mutmaßlicher Rechtsextremist versucht, in die Synagoge in Halle einzudringen und unter Dutzenden Gläubigen ein Blutbad anzurichten. Sein Versuch scheiterte, woraufhin er vor der Synagoge und danach in einem nahen Döner-Imbiss zwei Menschen erschossen und mindestens zwei weitere verletzt haben soll.

Innenminister Wöller hatte sich am Donnerstag mit der Vorsitzenden des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden, Nora Goldenbogen, dem Dresdner Rabbiner ‎Akiva Weingarten und Polizeipräsident Horst Kretzschmar unter anderem über erhöhte Sicherheitsmaßnahmen für jüdische Einrichtungen ausgetauscht. Diese sollen für 34 Einrichtungen in Sachsen auf unbestimmte Zeit gelten, darunter Gemeinden, Friedhöfe und Kultureinrichtungen.

Wöller bezeichnete den Rechtsextremismus als eine Gefahr, die in den vergangenen Jahren sowohl in Deutschland als auch in Sachsen zugenommen habe. Das betreffe nicht nur Hass und Verrohung im Internet, sondern auch Taten. "Aus Worten können schnell Taten werden." Er betonte, dass jüdisches Leben fester Bestandteil der Kultur und Gesellschaft sei. "Das wird auch immer so bleiben."

Nora Goldenbogen, die auch Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Dresden ist, zeigte sich besorgt über die aktuelle Situation. Einen ähnlichen Anschlag habe es in den vergangenen Jahren nicht gegeben. "Wir merken seit Jahren, dass der Rechtsextremismus stärker wird", so Goldenbogen. Daher sei es für sie nur eine "Frage der Zeit" gewesen, bis so etwas passiere. Es gebe eine Verrohung der Sprache, die nicht nur scheinbar an den Nationalsozialismus erinnere, sondern auch in das Denken eines Teiles der Gesellschaft übergriffen habe. "Und der andere Teil schaut leider weg."

Goldenbogen und Rabbiner Weingarten betonten, Gottesdienste in den nächsten Wochen zu den anstehenden jüdischen Feiertagen wie geplant abzuhalten. Auch wenn viele Gemeindemitglieder verzweifelt und ängstlich seien. "Wenn wir unser jüdisches Leben nicht fortsetzen, dann hat der Täter in Halle gesiegt", so Weingarten.

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