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Extremismus - Dresden:Sachsen bildet Sonderkommission Linksextremismus

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Dresden (dpa/sn) - Sachsen will nach mehreren Anschlägen mutmaßlicher Linksextremisten Härte zeigen. "Auf diese Entwicklung werden wir hart und konsequent reagieren", sagte Innenminister Roland Wöller (CDU) am Mittwoch in Dresden. Man lasse nicht zu, dass eine linksextremistische Szene den Rechtsstaat und seine Bürger terrorisiere. Wöller kündigte die Bildung einer Sonderkommission Linksextremismus (SoKo LinX) an. Sie soll ab 1. Dezember aus einer bereits bestehenden Ermittlungsgruppe entstehen und mit 20 Leuten doppelt so viele Mitarbeiter haben wie bisher.

In Sachsen hatte es zuletzt wiederholt Brandanschläge auf Baustellen und Baufirmen gegeben, bei denen Extremisten aus der linksextremen Szene unter Verdacht stehen. Am Wochenende war die Gewalt eskaliert. Zwei vermummte Täter hatten am Sonntag eine 34-jährige Frau - Prokuristin in einer Immobilienfirma - in ihrer Wohnung überfallen und ihr Faustschläge versetzt. Sie wurde verletzt und musste im Krankenhaus behandelt werden. Nach Aussagen von Generalstaatsanwalt Hans Strobl konnten die Täter bisher nicht identifiziert werden.

Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) zeigte sich am Mittwoch schockiert über das Ausmaß der Gewalt. Inzwischen würden nicht mehr nur Farbbeutel fliegen, sondern Menschenleben konkret gefährdet. Man müsse politischen Extremismus mit Entschlossenheit und Härte bekämpfen. Um künftig schlagkräftiger zu sein, werde die zentrale Ermittlungseinheit der Generalstaatsanwaltschaft Dresden zur Bekämpfung extremistischer Straftaten künftig auch in Leipzig präsent sein. Man wolle mit der Soko LinX auf kurzen Wegen zusammenarbeiten.

Laut Statistik gab es in diesem Jahr einen Anstieg von Straftaten mutmaßlicher Linksextremisten. Bislang wurden 305 entsprechende Taten registrierte, in 42 Fällen waren es Gewalttaten. 2018 lag die Gesamtzahl politisch motivierter Straftaten der linken Szene bei 222. Den bisherigen Höhepunkt gab es mit 471 Fälle im Jahr 2015.

Kretzschmar attestierte Gewalttätern aus der linken Szene eine professionelle Vorgehensweise mit einem hohen Grad an Planung. Sie hätten bei Straftaten keine Smartphones dabei, seien durch einheitliche Kleidung kaum unterscheidbar und würden zudem Angriffe blitzartig begehen. Dies erschwere die Ermittlungen. Die Aufklärungsquote bei rechts- und linksextremistischen Straftaten betrage nur etwa 20 Prozent.

Wöller zufolge ist Leipzig "absoluter Schwerpunkt" der linksextremen Szene. Ihr werden dort etwa 250 gewaltbereite Täter zugerechnet. Zugleich räumte er ein, dass trotz steigender Fallzahlen bei linksextremistischen Straftaten der Rechtsextremismus in Sachsen ein besonderes Problem sei. Im bundesweiten Vergleich habe man hier doppelten Fallzahlen: "Klar ist, wir bekämpfen jeden Extremismus." Man werde eine Null-Toleranz-Politik des Rechtsstaates durchsetzen und keine rechtsfreien Räume dulden.

Am Freitagvormittag wollen sich Wöller und der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) bei einem Treffen im Innenministerium über die Entwicklung austauschen. Der Leipziger Stadtrat will sie bereits am Donnerstag thematisieren. Unterdessen forderte der Verein Haus & Grund in Leipzig als Interessenvertreter von Grundstücks- und Hauseigentümern einen Runden Tisch.

Linke-Politikerin Kerstin Köditz stellte klar, dass eine Gesellschaft nicht durch Straftaten veränderbar ist. "Gewalt ist kein Mittel der Auseinandersetzung, Straftaten sind rechtsstaatlich zu ahnden. Wer die Gesellschaft verändern will, muss Mehrheiten gewinnen. Das gelingt nur friedlich." Alles andere sei Schützenhilfe für jene, die unter Verweis auf Straftaten Missstände übertünchen wollten, etwa Verdrängung durch Mieterhöhungen und Luxussanierung.

AfD-Partei- und Fraktionschef Jörg Urban hält die angekündigten Maßnahmen für völlig unzureichend. Außerdem sei es ein völlig falsches Signal an diese Szene, die Maßnahmen auf Leipzig zu beschränken. Der "Terror der Antifa" findet auch anderswo statt.

Grünen-Politiker Valentin Lippmann zeigte sich verwundert, dass sich zum einen die Koalitionsverhandlungen gerade im Bereich Sicherheit "sehr zäh" gestalten, andererseits die geschäftsführenden Minister für Inneres und Justiz per Pressekonferenz versuchten, "Inhalte der Koalitionsverhandlungen bereits vorwegzunehmen": "Das ist für ein konstruktives Miteinander wirklich nicht förderlich."

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