Extremismus - Berlin:Razzia gegen radikale Islamisten

Berlin
Polizeibeamte führen eine Razzia durch. Foto: Paul Zinken/dpa-Zentralbild/dpa (Foto: dpa)

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Berlin (dpa/bb) - Die Mitglieder der islamistischen Gruppe trafen sich zum Grillen in Berliner Parks und hörten Predigten vom Kampf gegen Ungläubige und Anschlägen auf Flugzeuge. Einige verkehrten früher in der berüchtigten Fussilet-Moschee, die vom islamistischen Attentäter Anis Amri besucht wurde. Am Donnerstag verbot der Berliner Senat die Vereinigung mit dem Namen "Jama‘atu" oder "Tauhid" und ließ von der Polizei 26 Wohnungen und andere Räume durchsuchen. "Wir wollen diese gefährliche salafistische Bewegung bereits im Keim ersticken", sagte Innensenator Andreas Geisel (SPD) bei einer Pressekonferenz.

Die Gruppe mit rund 20 Mitgliedern, darunter zwei sogenannten Gefährdern, sei eine Nachfolge-Organisation des 2017 verbotenen Fussilet-Vereins und seiner Moschee, sagte Geisel weiter. Sie habe die entstandene Leerstelle füllen wollen. Amri hatte am 19. Dezember 2016 in Berlin einen Lastwagen entführt und war damit auf einen Weihnachtsmarkt gefahren. Er tötete zwölf Menschen und verletzte Dutzende. Wenige Tage später wurde er in Italien von der Polizei erschossen.

Ab 6.00 Uhr morgens ging die Polizei mit einer großen Razzia gegen 19 islamistische Mitglieder von "Jama‘atu" (Gemeinschaft) vor. 850 Polizisten waren im Einsatz, darunter mehrere Spezialeinsatzkommandos (SEK). Man habe "massiv SEK aufgeboten", sagte Innenstaatssekretär Torsten Akmann (SPD). Tatsächlich habe es vereinzelt Widerstand gegeben, zwei Menschen seien leicht verletzt worden. Unterstützung kam von der Bundespolizei und der Brandenburger Polizei.

24 Wohnungen und andere Räume wurden in Berlin durchsucht, unter anderem im Märkischen Viertel in Reinickendorf, in Moabit und in Neukölln. Zwei weitere Wohnungen durchsuchte die Polizei in Brandenburg, in Königs-Wusterhausen am südöstlichen Stadtrand und in Doberlug-Kirchhain im Süden Brandenburgs. Festgenommen wurde niemand.

Ziel der Durchsuchungen sei es, Beweise zu finden und Vereinsvermögen zu beschlagnahmen, sagte Geisel. Der Verfassungsschutz habe bereits umfangreich belastendes Material gesammelt. Die "Verbotsverfügung" umfasse 100 Seiten. "Die Vereinigung verachtet Menschen mit einem anderen oder keinem Glauben und billigt deren Tötung", schilderte Geisel die Erkenntnisse. Sie befürworte den Krieg des sogenannten Islamischen Staates (IS), Terroranschläge und Selbstmordattentate.

Am Abend teilte die Polizei mit, bei den Durchsuchungen seien 135 elektronische Datenträger, 56 Mobiltelefone, 8 Laptops sowie Festplatten und 3 Computer beschlagnahmt worden. 27 Mitglieder der verbotenen Vereinigung seien überprüft worden.

Staatssekretär Akmann betonte: "Die Gruppe geht davon aus, dass die "große Schlacht" kommen werde, dass Polizisten "die Köpfe abgeschnitten werden", und in einem Gebet hieß es: "Lasst ihre Flugzeuge abstürzen"". Zudem seien es "schlimme Antisemiten, die den Tod von Jüdinnen und Juden fordern".

Der Verein habe aus einer Männer- und einer Frauengruppe bestanden, sagte Akmann weiter. Die Islamisten hätten sich in Wohnungen sowie in Parks zum Grillen getroffen. Dabei sei radikaler Islamunterricht erteilt worden. Es habe auch Heiratsvermittlungen mit Salafisten gegeben. Über die Internetkanäle Youtube und Instagram hätten Mitglieder der Gruppe Forderungen, Aufrufe und Predigten verbreitet, zusätzlich seien Flugblätter verteilt worden. Bestimmte Auftritte im Internet wurden nun abgeschaltet.

Ob einzelne Mitglieder den Attentäter Amri persönlich kannten oder ob sie Waffen besaßen, sei nicht bekannt. Gegen Einzelne gab es aber bereits Ermittlungen und Durchsuchungen durch die Polizei. Und es gab Kontakte zu dem am Mittwoch verurteilten Iraker Abu Walaa, dem Deutschland-Chef der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Der 37-jährige Hassprediger Walaa wurde vom Oberlandesgericht Celle wegen Unterstützung und Mitgliedschaft in der Miliz sowie Terrorismusfinanzierung zu zehneinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.

Nach den Erkenntnissen des Senats hat die Hälfte der Mitglieder die deutsche Staatsangehörigkeit, die andere Hälfte hat verschiedene Nationalitäten aus dem arabischen Raum. Der Senat prüfe nun auch die Möglichkeit von Abschiebungen, hieß es.

Eine eigene Moschee betrieb der nun verbotene Verein laut Senat nicht, obwohl es Bestrebungen gegeben habe. Die Mitglieder trafen sich in privaten Räumen, auch um Beobachtungen zu entgehen. In einigen radikalen Berliner Moscheen fragte die Gruppe wohl wegen der Nutzung von Räumen an. Die hätten aber abgelehnt, "weil ihnen das Gedankengut zu extremistisch war", so der Senator.

© dpa-infocom, dpa:210225-99-583824/10

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: