Extremismus - Berlin:Prozess um Liebigstraße 34: Vermummte greifen Verwaltung an

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Berlin (dpa/bb) - Erneut ist ein bekanntes und symbolträchtiges Haus der linksextremen Szene in Berlin-Friedrichshain Gegenstand eines Prozesses. An diesem Freitag (9.00 Uhr) geht es vor dem Landgericht Tegeler Weg um eine Räumungsklage für die Liebigstraße 34. Das Haus steht an der Ecke Rigaer Straße, wenige Meter von dem anderen umkämpften Haus Nr. 94. Zwei Tage vor dem Prozess beschädigten vermummte Täter ein Haus und Autos einer Immobilienverwalterin in Karlshorst - und stellten in einem Bekennerschreiben einen Bezug zu dem Räumungsprozess her.

Nach Angaben der Polizei, die sich auf Zeugen stützt, sollen mehrere vermummte Täter in der Nacht zu Mittwoch Scheiben eines Wohnhauses eingeworfen haben. Zudem wurde eine Scheibe eines Autos zerstört und eine stinkende Flüssigkeit im Wagen verteilt. Laut Polizei wohnt in dem Haus die Geschäftsführerin einer Grundstücksverwaltung.

In dem im Internet veröffentlichten Bekennerschreiben hieß es, diese Firma sei zuständig für die Verwaltung der Liebigstraße 34 und habe intensive geschäftliche Verbindungen zu dem Eigentümer. Die Autoren sprechen von "Verdrängung und Verelendung von Mietern" und erklären: "Wir wollen die Verantwortlichen daran erinnern, dass wir nicht einfach klein bei geben, wenn sie die Liebig34 auf die Straße setzen wollen um ihren Kontostand aufzubessern."

Die Bewohner des umstrittenen Hauses bezeichnen sich als "anarcha-queer-feministisches Hausprojekt Liebig 34". Ende 2018 endete der Pachtvertrag zwischen ihnen und dem Hauseigentümer. Weil die Bewohner sich weigerten auszuziehen und Widerstand ankündigten, reichte der Hausbesitzer eine Räumungsklage ein. Ob es am Freitag bereits eine Entscheidung darüber gibt, steht nicht fest. Vor Beginn der Verhandlung wollen Unterstützer vor dem Gerichtsgebäude demonstrieren.

Die Bewohner argumentieren, der vor zehn Jahren unterschriebene Pachtvertrag sei unzulässig, weil er befristet gewesen sei und das für Wohnverhältnisse grundlos gar nicht möglich sei. Der Hauseigentümer besitze inzwischen Dutzende weiterer Häuser allein in Friedrichshain und sei mitverantwortlich für massive Mieterhöhungen, Umwandlung in Eigentumswohnungen und Wohnungsnot im Kiez.

Zudem sei das Hausprojekt mit seiner Geschichte einzigartig und als "Ort eines gemeinsamen queerfeministischen Zusammenlebens einer der letzten Rückzugsräume ohne cis-Männer". Der Begriff "cis" bezeichnet in dieser Szene Männer und Frauen, die in Übereinstimmung mit ihrem Geburtsgeschlecht leben - also fast alle Menschen außer manchen Transsexuellen. Sie kündigen an: "Wir werden nicht kampflos gehen."

Rund um die Häuser in der Rigaer Straße und Liebigstraße greifen linksextremistische Täter immer wieder Polizisten an und beschädigen umliegende Neubauten und Autos. Die Polizei schreibt in der noch unveröffentlichten Langfassung des Berichts zur politisch motivierten Kriminalität: "Jegliche (vermeintlich) anstehenden Räumungsmaßnahmen in diesen, aber auch in anderen linken Szeneobjekten werden als Begründung für politisch motivierte Taten herangezogen werden."

Zuletzt hatten zum Teil vermummte Demonstranten am 2. November in der Rigaer Straße Flaschen, Steine und Böller auf Polizisten geworfen und randaliert.

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