Mölln (dpa/lno) - Die Brandanschläge von Mölln vor 30 Jahren mit drei Todesopfern sind für Ministerpräsident Daniel Günther auch heute noch eine Verpflichtung für alle Schleswig-Holsteiner, entschlossen gegen Rassismus und alle Formen von Ignoranz einzutreten. Die Anschläge seien zum grausamen Sinnbild für mörderischen Rassismus geworden, sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur.
In der Nacht zum 23. November 1992 hatten zwei Neonazis Brandsätze auf zwei von türkischen Familien bewohnte Häuser in der Möllner Altstadt geworfen. Dabei wurden die 51 Jahre alte Bahide Arslan sowie ihre Enkelinnen Yeliz Arslan (10) und Ayşe Yilmaz (14) getötet. Neun weitere Menschen wurden verletzt.
De Attentäter wurden ein Jahr später vom Oberlandesgericht zu Höchststrafen verurteilt. Ein 26-Jähriger erhielt wegen dreifachen Mordes, 39-fachen Mordversuchs und besonders schwerer Brandstiftung eine lebenslange Freiheitsstrafe. Wegen derselben Delikte wurde ein 20-Jähriger nach Jugendstrafrecht zu zehn Jahren Haft verurteilt. Beide haben ihre Strafen inzwischen verbüßt.
„Die Anschläge haben Traumata und Narben bei den Überlebenden, bei den Angehörigen und in der Gesellschaft hinterlassen, die bis heute bleiben“, sagte Günther. Die Stadt Mölln erinnere kontinuierlich mit Ausstellungen, Aktionen und Gedenkveranstaltungen. Das Land habe seine Anstrengungen im Kampf gegen Extremismus deutlich verstärkt. „Gerade in Zeiten, in denen viele Menschen nach Deutschland flüchten, ist es schlicht entscheidend, gesellschaftlich eng zusammenzustehen und gemeinsam aktiv etwas dafür tun, dass sich Ereignisse der Vergangenheit keinesfalls wiederholen“, sagte Günther.
Die Landesregierung sei in einem intensiven Dialog mit den muslimischen Vereinen. „Das ist anders als vor 30 Jahren.“ Den großen islamischen Religionsgemeinschaften sei er für die Bereitschaft dankbar, gemeinsam einen konstruktiven Verständigungsprozess mit dem Land zu führen.
„Mölln war und ist eine Wunde in der Geschichte dieses Landes, die nicht geschlossen ist“, sagte Integrationsministerin Aminata Touré (Grüne) der dpa. „Sie muss auch nicht geschlossen werden, denn Erinnerung und Aufarbeitung solch grausamer Taten werden immer auch schmerzhaft bleiben.“ Es gehe darum, neues Vertrauen in den Staat zu schaffen. „Als Landesregierung wollen wir Rechtsextremismus in all seinen Ursachen zu bekämpfen, damit Mölln nie wieder passiert“, sagte Touré. „Niemand in diesem Land soll Angst um sein Leben haben müssen, weil er eine Migrationsgeschichte hat.“
Erinnerung sei nie abgeschlossen, sagte die Ministerin. Gedenken könne nie ohne Schmerz sein. „Aufarbeitung muss auch aus sich selbst heraus geschehen können, sie darf nicht verordnet werden.“
Zum 30. Jahrestag der Brandanschläge von Mölln erinnert die Stadt an diesem Mittwoch mit einem Gedenkgottesdienst und Kranzniederlegungen an beiden Anschlagsorten an die Ereignisse, die bundesweit und international für Erschütterung gesorgt hatten. Das dokumentieren auch fast 500 Briefe an die Überlebenden, die seit 2021 im Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland in Köln archiviert werden.
„Unter den Briefen, Postkarten, Trauerkarten und Zeichnungen aus dem In- und Ausland sind auch rührende Botschaften der Anteilnahme von Kindern und konkrete Hilfsangebote für die Familien, die bei den Anschlägen Angehörige verloren haben“, sagte der Pressesprecher des Dokumentationszentrums, Timo Glatz.
Die Stadt hatte nach den Anschlägen dazu aufgerufen, Hinterbliebenen zu schreiben und so Anteilnahme zu bekunden. „Aus unbekannten Gründen erreichten die meisten dieser Briefe die Familien aber nicht“, sagte Glatz. Stattdessen seien sie im Stadtarchiv gelandet.
Erst im Jahr 2019 wurde İbrahim Arslan, einer der Überlebenden des Brandanschlages, auf die Briefe aufmerksam. „Wenn wir damals von der Anteilnahme und Solidarität in der Gesellschaft gewusst hätten, hätte uns das damals geholfen und ein wenig Trost gespendet“, sagte er.
„Die meisten Briefe waren an eine türkische Teestube als Treffpunkt der türkischen Gemeinschaft adressiert“, sagte Möllns Bürgermeister Ingo Schäper. „Als die geöffneten Briefe unserem Stadtarchiv übergeben wurden, haben wir es leider versäumt, das den Hinterbliebenen mitzuteilen“, räumte er ein. Zur Gedenkveranstaltung am Mittwoch erwartet er wie in den Vorjahren viele Teilnehmer.
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