Süddeutsche Zeitung

Extreme Witterung:Bauern klagen über magere Ernte

Das dritte Jahr in Folge fällt die Bilanz schlecht aus, nun fordern die Landwirte eine Versicherung gegen Gefahren wie Dürre.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Im Winter zu nass, im Frühjahr viel zu trocken: Deutschlands Bauern haben in diesem Jahr zum dritten Mal weniger Ernte eingefahren als im Durchschnitt der fünf Jahre zuvor. Das geht aus der Bilanz hervor, die der Deutsche Bauernverband am Dienstag in Berlin vorgelegt hat. Demnach ernten sie in diesem Jahr insgesamt 42,4 Millionen Tonnen Getreide - zwei Millionen Tonnen weniger als im Jahr zuvor. Im Dürrejahr 2018 waren es sogar nur gut 35 Millionen Tonnen gewesen. "Der Klimawandel manifestiert sich", sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied. "Wir haben nicht mehr die Stabilität bei den Erträgen, die wir vor zehn, 15 Jahren noch hatten."

Die Lage an den Märkten verschärft die Situation für die Landwirte zusätzlich. So führte die Schließung von Gaststätten im Zuge der Corona-Abwehr auch zu einem geringeren Absatz von Bier - und in der Folge von Braugerste. Deren Preis brach ein. Gleiches gilt für Kartoffelsorten zur Herstellung von Pommes frites. Statt für 180 Euro je Tonne in der Pommes-Fabrik wanderten sie für 20 Euro in Biogasanlagen. Und obendrein sind die Ernten in anderen Teilen der Welt nicht so schlecht wie in Deutschland. Die globale Getreideernte dürfte in diesem Jahr größer ausfallen als 2019. Auf steigende Preise, wie sie schwache Ernten sonst begleiten, können die deutschen Bauern also nicht hoffen.

Auch in Deutschland ist die Lage nicht überall gleich schlecht. Selbst innerhalb einer Region gebe es mitunter Schwankungen von bis zu 40 Prozent, meldet der Bauernverband. Andernorts droht eine Knappheit beim Viehfutter, weil der dritte Schnitt beim Grünland ausfällt: das Heu für den Winter. Einmal mehr ist der Osten Deutschlands stärker von der Trockenheit getroffen als andere Teile des Landes.

Die Landwirte verlangen deshalb staatlich unterstützte "Mehrgefahrenversicherungen", mit denen sich Landwirte gegen Ertragseinbußen etwa durch Dürren absichern können. "Das kann die Landwirtschaft alleine nicht stemmen", sagte Rukwied. "Dazu sind wir nicht in der Lage." Nötig sei dazu aber eine Anschubfinanzierung von Bund und Ländern. Rukwied bezifferte sie auf jährlich 300 bis 400 Millionen Euro über die ersten drei Jahre.

Das Bundeslandwirtschaftsministerium wies die Forderung allerdings zurück. Regional differenzierte Lösungen seien "der richtige Weg", sagte eine Sprecherin. Dies aber sei Aufgabe der Länder. Umweltschützer plädierten dafür, Landwirte besser auf extremes Wetter vorzubereiten. Dazu bräuchten sie "Unterstützung beim Einstieg in eine nachhaltigere landwirtschaftliche Praxis", sagte Rolf Sommer, Agrarexperte bei der Umweltstiftung WWF. Immerhin ist die Ökolandbaufläche auch 2020 weiter gewachsen, um gut 3,5 Prozent.

Eine Befürchtung traf bisher allerdings kaum ein: Verluste durch den erschwerten Einsatz vorwiegend osteuropäischer Erntehelfer. Hier habe es keine Engpässe gegeben. Als nächstes werden die Helfer nun bei der Apfelernte gebraucht. Und die soll sogar ganz gut werden.

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Quelle:
SZ vom 19.08.2020
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